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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

DOI Artikel:
Lehrs, Max: Die Monstranz der Marienkirche zu Krakau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0144

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249

1908. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

250

Die Monstranz

der Marienkirche zu

(Mit Abbildung.)

Krakau.

m siebenten Heft der Zeitschrift für
christliche Kunst Sp. 213 ff. publi-
ziert E. W. Braun eine durch ihre
Übergangsornamentik sehr inter-
essante Monstranz vom Anfang des XVI. Jahrh.,
die sich in der Marienkirche zu Krakau be-
findet und auf dem runden Deckel des Reli-
quienbehälters eine gravierte Veronika mit
dem heiligen Schweißtuch enthält. Braun sagt
von dieser Figur, daß sie in der Haltung sehr
dem Stich Dürers von 1510 (B. 64) ähnelt1)
und daß schließlich ihre
unleugbare Verwandt-
schaft mit den Stichen
des Veit Stoß überrasche,
jedenfalls eine interessante
und weiter zu verfolgende
Erscheinung angesichts der
bekannten Beziehungen
dieses Meisters zu Krakau.
Ich glaube, daß mein
verehrter Herr Kollege
hier zuviel gesehen hat,
denn ich vermag in der
Veronika der Krakauer
Monstranz weder

eine

Ähnlichkeit mitder Dürers,
noch irgendwelche stilisti-
sche Verwandtschaft mit
Veit Stoß zu erkennen.
Die Heilige ist vielmehr
eine simple Kopie nach
Schongauers bekanntem
Stich B. 66, der in sehr

3. Gegenseitige Kopie von Monogrammisten
WA H P. IL 131. 31. Berlin, Paris.

4. Gegenseitige anonyme Kopie Courboin,
Cat. I, 617. Paris.

5. Gegenseitige anonyme Kopie 79 : 55 mm.
Bl. Unbeschrieben. Paris, S. v. Rothschild.

6. Gegenseitige anonyme Kopie v. Quandt.
Verzeichnis meiner Kupferstichsammlung 815b.
Courboin, Cat. I. 620. Paris.

7. Gegenseitige Kopie mit anderen Dar-
stellungen nach Schongauer und Dürer auf

einer Platte. P. IV. 280.
182. Dresden.

Nr. 4—6 gehören be-
reits dem XVI. Jahrh. an.

Eine freie Nachah-
mung desselben Vorbildes
ist auch der Stich von
Marcanton oder aus dessen
Werkstatt P. VI. 81. 47 a
(Berlin). Die Abhängig-
keit zeigt sich am deut-
lichsten an dem Antlitz
Christi.

Ferner diente Schon-
gauers Stich als Vorlage
für eine gegossene italieni-
sche Pax des XVI. Jahrh.
in der Sammlung Schnüt-
gen zu Köln, für eine
Bronzeplakette der Samm-
lung Linel zu Frankfurt
a. M., wo die Heilige

Die hl. Veronika von Martin Schongauer. unter einem Renaissance-

vielen Fällen Künstlern zweiten und dritten
Ranges als Vorlage gedient hat. Ich gebe hier
zum Vergleich eine Abbildung des Originals
nach dem prachtvollen, aus den Sammlungen
v. Nagler und Cerroni stammenden Berliner
Exemplar und zugleich ein Verzeichnis aller
mir bekannten Kopien des seinerzeit offenbar
sehr beliebten und verbreiteten Stiches:

1. Gegenseitige Kopie von Meister FVB
P. IL 188. 49. München.

2. Gegesenseitige Kopie von Israhel van
Meckenem. Geisberg 350. Wien, Albertina.

') Gemeint ist die nur in zwei Exemplaren bekannte
Kaltnadelradierung, die, wie Dodgson (Dürer Society
X. Series [1908] Nr. XLIII) nachgewiesen hat, eine Fäl-
schung neueren Datums ist, der ein schon 1504 als Buch-
illustration verwendeter Holzschnitt zum Vorbild diente.

portal mit zwei Engeln oben links und rechts
steht, und für ein Relief im Spitzbogen des
Hauptportals der Stiftskirche zu Baden-Baden.

Alle diese Kopien und Benutzungen der
Schongauerschen Veronika bestätigen im Verein
mit der Krakauer Monstranz nur aufs neue,
daß der eigentliche Zweck der Kupferstiche des
XV. Jahrh. darin bestand, Vorlagen für den
Bedarf der schöpferisch minder begabten
Künstler und der Handwerker zu bieten.

Dresden. Max Lehrs.

8) Vergl. des Verfassers »Geschichte des deutschen,
niederländischen und französischen Kupferstichs im
XV. Jahih.« Bd. I. Sp. 22 ff. und den Aufsatz „Über
gestochene Vorlagen für gotisches Kirchengerät" im
VI. Jahrgang dieser Zeitschrift Sp. 65 ff.
 
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