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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

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Schnütgen, Alexander: Drei rheinische Holzmadonnen des XIII. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0166

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Abhandlungen.

Drei rheinische Holzmadonnen des
XIII. Jahrhunderts.

(Mit 3 Abbildungen,
Tafel XI.)

der Siebenzahl sitzender
romanischer Madonnen-
figuren meiner Sammlung
greife ich die drei hier
abgebildeten (von Stoedt-
ner aufgenommenen und
vergrößerten) Exem-
. plare heraus, weil sie
in der Rheinprovinz
gefunden und wohl auch entstanden, von einer
gewissen typischen Bedeutung und großer
Seltenheit sind.

1. habe ich vor etwa einem Jahrzehnt von
einem niederrheinischen Antiquar im Neben-
betrieb, erworben, der leider den Fundort in
Dunkel hüllte. Die Figur hat 103 cm Höhe,
48 cm Breite, unten eine Tiefe, bezw. Aus-
ladung von 50 cm. Die unterste Plinthe und
das ausgezackte, in eine.Lilie mündende Rück-
brett von Eichenholz, mit einem quadratischen
Ausschnitt von 16 cm ausgenommen, ist sie,
unter starker Aushöhlung des Rückens, aus
einem Eschenblock geschnitzt, also mit Ein-
schluß des etwas gewölbten Sedile, das seitlich
geschlossen, nach, vorn in einem Halbkreis
vorspringt, als Schemel für die unter der
faltig wohlgeordneten Gewandung realistisch
hervortretenden, selbstverständlich beschuhten
Füße. — Dieser Realismus beherrscht die ganze
durchaus selbständige Schöpfung, die in der Hal-
tung, Empfindung, Drapierung ein Meisterwerk
ersten Ranges ist. — Noch viel straffer, als an
den ähnlichen Figuren zu Westgröningen (vergl.
diese Zeitschr. IL 345 ff.), Halberstadt (Lieb-
frauenkirche), Hildesheim (St. Michael), Frei-
berg (Dom), erscheinen die Falten, die trotzdem
durchaus plastisch gehalten sind. Die Art,
wie die Zipfel des Mantels bauschig über den
Sitz des Sedile fallen, wie an der Tunika des
Kindes dessen majestätische Handerhebung
den ganzen Faltenwurf beeinflußt, der, auf
dem Knie der Mutter stark eingezogen, als
ein Überwurf sich ausnimmt, wie namentlich
ihr Obergewand über den rechten Arm sich
herumlegt, so daß dessen Umrisse sanft durch-

schimmern, ist von einer Ruhe und Grazie,
wie der Beginn des XIII. Jahrh. sie in der
Plastik sonst kaum aufweist. Auch die innige
Anschmiegung des etwas nach oben schauen-
den Kindes an seine Mutter, mit der es über-
aus harmonisch zusammenstimmt in ernster
und doch anmutsvoller Gebärde, zeigt ein
bereits hochentwickeltes Naturstudium, ein un-
gemein feines Gefühl und vollendete Technik.
Hiervon sind auch, in einem gewissen Gegen-
satz gegen das strenge Gefält, die Köpfe, wie
des Kindes beherrscht, welches den tradi-
tionellen altertümlichen Typus nur noch schwach
wahrt, so namentlich der Mutter, deren Antlitz
einen neuen realistischen, aber sehr lieblichen
Zug hineinträgt, unter Verzicht auf den Schleier
und auf die Krone, wie er an einer, sonst
viel minder bedeutenden Säugemutter des
Kaiser Friedrich-Museums in die Erscheinung
tritt. An der Ursprünglichkeit dieses auf-
fallend kleinen, leicht geneigten Kopfes mit
den geschlitzten, aber nicht träumerischen
Augen und hochgeschwungenen Brauen, hoch-
gewölbter Stirn und knappem perükenartigem
Haargeflecht besteht nämlich keinerlei Zweifel.

— Im Unterschiede von den herkömmlichen,
noch ziemlich abfälligen Schultern, haben die
auffallend fein durchgeführten Hände ein
ziemlich stark realistisches Gepräge, auch in
der Art, wie sie die (hier wie am Freiberger
Domportal vorkommenden) beiden Äpfel halten.

— Nach sorgfältiger Entfernung des graulichen
Ölanstrichs trat die einfache Polychromie zu
Tage, für welche die Goldrosetten des Mantels
das XV. Jahrh. bestimmen, ohne daß für die
frühere Bemalung irgendwelche Anhaltspunkte
sich erhalten haben. Die grünliche Farbe
des Untergewands, die bläuliche der Tunika,
die ziegelrote des Mantels, sämtlich durch
Goldlinien eingefaßt, wirken harmonisch, wie
untereinander, so zu der frischen Karnation
des Madonnenkopfes. Die nur farblich mar-
kierte Halsverzierung (wie sie ähnlich an der
von Vöge in „Monatshefte für Kunstwissen-
schaft" Heft 12 Seite 1113 soeben als kölnisch
veröffentlichten, auch sonst verwandten Statue
wiederkehrt), aus Byzanz eingeführt, ist offen-
bar aus der früheren Fassung beibehalten
worden. — Für die so charakteristische straffe
Fältelung der Figur bieten die Analogien in
 
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