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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

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Schnütgen, Alexander: Der Clarenaltar im Kölner Dom
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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0184

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Abhandlungen.

Der Ciarenaltar im Kölner D

om.

fls im letzten Frühjahr der Herr
Geheime Baurat Dr. Stein-
brecht sich an mich mit der
Frage wandte, ob ihm wohl,
für die Zwecke der Marien-
burger Kapellen - Ausstattung,
die Kopierung des Claren-
altars würde gestattet werden,
bestärkte ich ihn in seiner Hoff-
nung, unterVerweisung an den Herrn Dompropst
Dr. Berlage. Ich fügte sofort die Bemerkung
bei, daß die Reinigung des Ciarenaltars durch
den Gemälderestaurator Herrn Fridt vom
Domkapitel längst beschlossen, nunmehr un-
mittelbar bevorstehe. Daran knüpfte ich den
dringenden Rat, bis nach deren Vollendung
die Kopierung hinauszuschieben. — Trotzdem
wurde sie vorgenommen, so daß erst nachher
(im Juli) die Übertragung zunächst der auf
Leinwand gemalten Außenflügel in das
Atelier Fridts erfolgen konnte.

Schon bald sprach derselbe, in alle seine
Beobachtungen, zugleich zu deren Weitergabe
an die Herren Domkapitulare, mich einweihend,
von den zum Teil mehrfachen, zunächst an den
Standfiguren konstatierten Übermalungen, die
älteren mühsamst mit dem Radiermesser, die
späteren durch die schärfsten Putzmittel sorg-
fältigst entfernend. — Als nach der Freilegung
einiger Gewandpartien, die zumeist ganz
andere Umrisse und viel schlankere Gestaltung,
sämtlich durchsichtigere emailartige Färbung er-
hielten, auch die ursprünglichen ernsten Köpfe
mit der braunrötlichen Tonung, den weißlichen
Lichtern, den seitwärts gerichteten Pupillen,
unter dem stark gedunkelten Firniß in die
Erscheinung traten, bestand für Fridt kein
Zweifel mehr, daß es, zunächst bei den Außen-
flügeln, um ein einheitliches Werk der frühe-
sten kölnischen Malerschule sich handle, dessen
Wiederherstellung in den ursprünglichen Zu-
stand von der größten kunstgeschichtlichen
Bedeutung, daher, trotz aller Umstände und
Schwierigkeiten, zu erstreben sei, falls die
fortschreitende Reinigung die hinreichende
Erhaltung der Urbilder ergebe. Da diese
Hoffnung vor und nach sich zu bestätigen
begann, so trug ich kein Bedenken, nach Rück-
sprache im Kapitel, dem für seine Aufgabe

begeisterten, so erfahrenen wie gewissenhaften
Meister, seinem Vorschlage gemäß, die weitere
Aufdeckung der Außenflügel zu empfehlen.
Im Oktober wurden auch die hölzernen
Innenflügel mit ihren berühmten, sinnigen
Gruppen aus der Kindheit Jesu, in Fridts
Wohnung geschafft. In scharfer Beleuchtung
sah der Restaurator hier durch die jetzt eben-
falls verdächtig wirkenden Köpfe ältere Punkte
und Linien hindurchschimmern, und ähnlich
behandelte kleinere Darstellungen rücksichtslos
über den teils punzierten, teils erneuerten
Goldgrund gemalt. — Als so auch hier die
bisherigen Ideale entflohen, glaubte auch ich
dem Herrn Dompropst referieren zu müssen,
auf dessen Veranlassung bald Herr General-
konservator Geheimrat Dr. Lutsch sich einfand.
— An seine mit dem Herrn Dompropst und mir
vorgenommene Prüfung schloß sich, ebenfalls
in meiner Gegenwart, die von dem Herrn
Kultusminister angeordnete durch Ciemen und
Firmenich-Richartz an. Ihnen wurde der Ent-
schluß, den Anschauungen Fridts, der auf der
Entstehung der kritischen Hauptübermalungen
kurz nach 1800 bestand, sich anzuschließen,
etwas schwer, aber in dem Gutachten, das sie,
dieser für den Kultusminister, jener für das
Kapitel abgaben, vertraten sie dieselbe Meinung.
Bei dieser Gelegenheit erklärte Firmenich-
Richartz, der im Anschluß an seine trefflichen
Artikel über die altkölnische Malerschule im
VIII. Band (1895) dieser Zeitschrift zur neuen
Prüfung in erster Linie berufen ist, sich bereit,
die im Sinn der letzten Ergebnisse nunmehr
gewonnene Stellung des Altarwerks in der
Kunstgeschichte zu prüfen und den gegen-
wärtigen Zustand zu beschreiben. — An Fridts
Entdeckungen anknüpfend, zieht Herr Direktor
Dr. Poppelreuter den Kreis weiter und geht
den Spuren der Tätigkeit jenes Neuschöpfers
auch an der „Madonna mit der Wie ken-
blüte" des Wallraf-Richartz-Museums nach,
deren Authentizität Fridt mir gegenüber schon
seit Jahren in Zweifel gezogen hatte.

Wenn diese Untersuchungen und Nach-
weise die hochgradige Revisionsbedürftigkeit
der frühesten kölnischen Tafelgemälde doku-
mentieren, dann ist der bezüglichen Forschung,
die ohnehin von der Tagesordnung noch keines-
wegs verschwunden war, für die nächsten
Jahre der Weg gezeigt. Sehnüfegen.
 
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