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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

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Firmenich-Richartz, Eduard: Zur Wiederherstellung des Clarenaltares
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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0185

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323

1908.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

324

Zur Wiederherstellung des Clarenaltares.

(Mit 5 Abbildungen; Tafel XII und XIII.)

n der Werkstatt des Gemälderestau-
rators Heinrich Fridt zu Köln wird
mit ruhiger Stätigkeit eine mühselige
Arbeit gefördert, die wohl dazu
berufen sein mag, eine durchgreifende Nach-
prüfung mancher überlieferter Anschauungen
über den Verlauf der Entwicklung der Kölner
Malerschule und die Art ihres bestimmenden
Hauptmeisters in der zweiten Hälfte des XIV.
Jahrh. herbeizuführen. Die mit unermüd-
licher Vorsicht und Sorgfalt, zugleich auch
mit entschlossener Tatkraft begonnene Reini-
gung der Flügel des Clarenaltares hat alsbald
Aufschlüsse ergeben, welche die Meinungen
der bisherigen Beurteiler dieser Bilderreihen
teilweise völlig umstoßen oder in ungeahnter
Weise ergänzen und berichtigen. Wie eine
plötzliche Offenbarung und mit den Reizen
einer Neuschöpfung tauchen die strengumrisse-
nen Gestalten des hochgotischen Originals
unter trüber Decke auf und schälen sich frei
von den Übermalungen und Zusätzen, durch
die pietätlos spätere Zeiten ihren Charakter
verfälschten.

Der umfängliche Schrein, die Hauptleistung
rheinischer Kunst im Vollbesitz ihrer frühen
Reife, stammt aus dem Chor der St. Clara-
kirche am Berlich. Die Klosterpatronin widmete
stets der hl. Eucharistie eine ekstatische Ver-
ehrung. Der Franziskaner-Frauenorden erlangte
hiermit den Vorzug, das Altarssakrament selb-
ständig aufzubewahren; daher umschließt das
Retabulum in der Mitte gesondert das Taber-
nakel. Zugleich hatte der Schrein aber auch
die Bestimmung, den seit 1327 stark ange-
wachsenen Reliquienschatz der Ciarissen auf-
zunehmen. Die reichprofilierten Pfeiler goti-
scher Arkaden scheiden im Mittelstück und
den Innenseiten des ersten Flügelpaares Fächer,
welche ehedem eine Anzahl „Heiltümer" in
Büsten enthielten. In den Nischen einer oberen
Reihe standen Statuen des Salvator und der
zwölf Apostel in Nußbaumholz geschnitzt:
drei dieser vergoldeten Figuren mit fleisch-
farbenen Häuptern und Händen sind heute
noch übrig. Eine übereinstimmende archi-
tektonische Gliederung umfaßt an den äußeren
Leinwandflügeln Gemäldeserien, die sich auch
über die Schauseiten der Innentafeln aus-
breiten.

Als ich 1895 in dieser Zeitschrift (Jahrg.
VIII) deren eingehende Stilanalyse unternahm,
entging es mir nicht, daß sich das Geheimnis
der Entstehung hier keinesfalls nach dem ge-
wohnten Schema, durch Zuteilung an einen
leitenden Meister und eine Schar folgsamer
Gehilfen und Schüler, deren Zahl man be-
liebig erweitern könne, enthüllen ließ. Obwohl
es im Dämmerlicht des Kölner Domchores
unmöglich blieb, die mannigfachen und rück-
sichtslosen Versuche späterer Umgestaltungen
reinlich von der Leistung des Urhebers zu
scheiden, erwies sich doch damals schon die
unbeglichene erhebliche Divergenz des ein-
heitlichen Gesamtplanes, der Fügung der
Gruppen in allen Szenen nach reinlinearen
Prinzipien gegenüber einer weichen fleckigen,
nach malerischer Anschauung mehr auf die
Modellierung der Formen, die Loslösung von
der Fläche und die Wiedergabe des farbigen
Schimmers bedachte Ausführung im einzelnen.
Ich suchte eine Klarstellung dieses Zwiespaltes
und die Deutung des seltsamen Doppelwesens
der Gemälde, indem ich den Ciarenaltar an
einen Wendepunkt der Entwicklung setzte
und annahm, daß während der langsam fort-
schreitenden Vollendung des umfassenden
Werkes jene neue Weise den herben über-
kommenen Konturenstil verdrängte. Einem
genialen Maler, dem Bringer des Umschwungs,
der damals in den Betrieb eintrat, glaubte
ich eine weitgehende Überarbeitung der Bilder-
reihen und deren Fortsetzung zuschreiben zu
dürfen. Ich schien hierzu umsomehr berechtigt,
da an vielen, weniger ins Auge fallenden
Stellen, vornehmlich der Außenfiügel, nicht bloß
einzelne scharfumrissene Gliedmaßen, Köpfe,
ganze Kompositionen, sondern sogar fertig-
gestellte Gemälde strengen Stiles in gänzlich
abweichender Technik und Farbengebung
noch unberührt zu tage standen.

„Nur in vier Bildern der oberen Reihe,
nämlich „Christus im Garten Gethsemane",
„Der Erlöser in der Vorhölle", „Der aufer-
standene Heiland erscheint Maria Magdalena",
„Die Himmelfahrt" ist die Arbeit dieses älteren
Meisters unversehrt erhalten geblieben, in allen
übrigen Tafeln, namentlich den Szenen der
Jugendgeschichte Jesu, hat der maßgebende
Meister die Köpfe, die seinem Geschmack nicht
 
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