Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

DOI Artikel:
Firmenich-Richartz, Eduard: Zur Wiederherstellung des Clarenaltares
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0195

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
343

1908.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

344

konnten leider nicht konserviert werden;
Aquarellkopien von Maler Martin gelangten
später in das historische Museum.

Meister Wilhelm ist also keine mythische
Vorstellung, sondern eine historische Person.
Die Schlußfolgerungen, die uns vielleicht be-
rechtigen, die Malereien aus dem Hansesaal
auf seinen Namen zu taufen, sind kaum
gewagter als jene Kombinationen, die mit dem
Dombild den Namen Stephan Lochner ver-
knüpften. Möglicherweise gelangt die Hypo-
these nach ihrer Verjährung zu einer ähnlichen
Gemeingültigkeit. Das Andenken beider
Künstler hat uns nur ein Zufall in der Fremde
bewahrt. Beschäftigten sich zeitgenössische
Aufzeichnungen in Köln auch nur gelegentlich
mit den Werken heimischer Maler, dann be-
stände die Kölner Schule nicht fast aus-
schließlich aus Anonymen.

Für die kunsthistorische Einordnung und
die Benennung des Clarenaltares ist es nun
von unleugbarem Werte, daß die an den
Außenseiten aufgedeckten Heiligengestalten
mit jenen Prophetenköpfen aus dem Hanse-
saal eine so vollkommene stilistische Über-
einstimmung in allen Einzelheiten verbindet,
daß sie nur von derselben Hand in an-
nähernder Folge herrühren können (vgl. die
Textabb. 3). Mit dem nämlichen Wurf
großzügig-fließender Linien sind alle Formen
umschrieben; die Umrisse der biegsamen
Gliedmaßen, die gewundene Haltung, die
in flotten Strichen gegebenen Andeutungen
der feinen Gesichtszüge lassen kaum irgend-
welche Unterschiede wahrnehmen. Die Köpfe
sind wiederum in ähnlicher Stellung in Drei-
viertelansicht aufgefaßt, die braunen oder
grauen Pupillen als Ausdruck lebhafter Er-
regung in die Augenwinkel geschoben. Der An-
satz beginnender Ringe unter den Lidern wird
angedeutet und an der Stirn zeigen sich die
gerunzelten Querfalten. Ebenso verwandt ist
die Wahl der Farben, und bei der Ausführung
glaubt man wiederum die auftauchende Ab-
sicht zu erkennen, der Modellierung und einer
breitflächigen malerischen Behandlung be-
scheidene Konzessionen einzuräumen. Leise
erst bereitet sich der Umschwung vor, doch
die Ära des reinen Linearstils in voller Reife
neigt sich zum Ende.

Die beiden Wappenschilde, die auf dem
Bild „der Darbringung im Tempel" an der
Altarmensa angebracht sind, mit dem goldenen

gekrönten Löwen in blauem Feld haben viel-
leicht Bezug auf eine Stiftung der beiden
Gräfinnen Philippa (t 1352) und Isabella
(t 1354) von Geldern, die im Clarenkloster
begraben lagen. Die Grenzen der Lebenszeit
Meister Wilhelm's bestimmen jedenfalls auch
die äußersten Termine für die Entstehung des
Clarenaltares.

Der Urheber der Prophetenköpfe aus dem
Hansesaal wie der Gemäldezyklen des Claren-
altars ist der letzte bedeutende Vertreter jener
Malerei, deren Prinzip des Gleichmaßes und
Wohllautes im Zusammenschluß der Figuren-
gruppen, bei der Behandlung der Flächen
und der Massengliederung von der dekorativen
Architektur der Hochgotik abgeleitet ward.
Er ist kein Wegbahner, er setzt fort und
bildet weiter, was Generationen vor ihm er-
dachten und geistig durchdrangen; viele Fäden
reichen von seinem umfänglichen Werke
zu der gewaltigen monumentalen Haupt-
schöpfung der Kölner Malerschule um die
Mitte des XIV. Jahrh., zum Bilderschmuck
der Chorbrüstungen18) und Kapellen des
Domes. Die Anspannung der gestaltenden
Kraft zur Bewältigung vieler neuartiger Szenen
wirkt hier ungleich imposanter; den auch im
Maßstab gesteigerten Figuren ist noch eine
kantige Härte und strenge Gebundenheit in
allen Bildungen eigen, die ihren Eindruck
erhöht und verschärft, namentlich da die
ausgedehnten Reste fast unberührt, frei von
mißlungenen Herstellungsversuchen dastehen.

Der Urheber des Clarenaltares behandelt
nicht in ähnlicher Weise die Folien seiner
Kompositionen als Träger eines amüsanten
ablenkenden Formenspiels; er ergießt nicht
eine solche Fülle ornamentaler Einfälle
unterschiedlicher Klassen über die Flächen,
die als einfassende Streifen, Teppichgrund
oder Füllungen behandelt werden. Während
in dieser Ornamentation der Domschranken
konstruktive Elemente mit zierlich bewegten
kecken menschlichen Figürchen abwechseln,
bevorzugte der Meister des Clarenaltares vege-
tabile Gebilde und geometrische Muster. (Nur
die Maskerons in den Wimpergen bilden die
Ausnahme.) Seine Art ist vergleichsweise
geschmeidiger, mehr ausgeglichen, doch auch
konventionell. Er gebietet nicht mehr über

18) A. Steffens in dieser Zeitschrift XV 1903
Sp. 129 fg.
 
Annotationen