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Zeitschrift für christliche Kunst — 21.1908

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Schnütgen, Alexander: Sitzende hochgotische Holzmadonna in der Dreikönigenkapelle des Kölner Domes
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https://doi.org/10.11588/diglit.4126#0202

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355

1908. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

356

■Ritzende hochgotische Holzmadonna in der Dreikönigenkapelle des

Kölner Domes (Mit Abbildung.)

schließt sich den vorstehend
abgebildeten und beschriebenen
drei Figuren an, den Übergang
von 1 zu 2 bildend. — Vor
etwa 25 Jahren wurde sie mir
aus Füssenich bei Zülpich geschickt. Durch
ihre vorzügliche Komposition und Ausführung,
wie durch ihre ungewöhnlich reiche ursprüng-
liche, dazu gut erhaltene Bemalung, behauptete
sie den Ehrenplatz in meiner Skulpturen-
sammlung.

Als es sich, nach Abbruch des defekten
und baufälligen Barock-Mausoleums (das bis
1864 den Dreikönigenschrein barg), darum
handelte, der hinter ihm gelegenen Altarmensa,
welche bis 1876 das herrliche Bronzeepitaph
des Jacobus von Croy bekrönte, (vergl. diese
Zeitschr. I, 243 und IX, 321) einen jieuen
würdigen Aufsatz zu beschaffen, welcher hier
dem Kultus der Gottesmutter und der hh. Drei-
könige gemeinsamen Ausdruck verleihen
sollte, opferte ich für diesen Zweck das Juwel
meiner Sammlung, nebst zwei in München
von mir erworbenen, ebenfalls hochgotischen
altpolychromierten Standfiguren aus einer Drei-
königengruppe. Bildhauer Mengelberg, dem
das Domkapitel die Ausführung des Aufsatzes
übertrug, komponierte dazu die dritte kniende
Figur, der für dessen Mittelschrein bestimmten
Madonna ihren (wohl zur späteren Anbringung
einer Metallkrone etwas verkürzten) Schleier
geschickt ergänzend.

Die hier gebotene Abbildung entspricht
dem Zustande, in welchem die Figur in meinen
Besitz gelangte, mit Ausnahme der spätgotischen
altvergoldeten Messingkrone (aus der Kunst-
auktion Garthe, 1877). (Ohne dieselbe) 93 cm
hoch, 41 cm breit, 37 cm tief, zeigt sie in ihrer
Gestaltung eine Schlankheit, in ihrer Draperie
ein Ebenmaß, in ihrer Haltung eine Grazie, daß
sie an die französische Plastik um 1300 erinnert,
ohne ihr aber eingereiht werden zu dürfen,
denn an ein Erzeugnis der frühen Kölner Schule,
etwa aus der Mitte des XIV. Jahrh. wird hier
zu denken sein. — Darauf weisen, außer dem
Nußbaumholz und der Fundstätte, hin die
welligen Haare, die rundlichen Köpfe mit dem
weichen Kinn, die plumpen Hände, die feine
Fältelung oberhalb und unterhalb des Gürtels,

die tiefgearbeiteten Schleiffalten des Schoßes,
die Bestie unter dem Fuße, namentlich aber
auch die Polychromie, die derjenigen an den
Apostelfiguren des Domhochchores sehr ver-
wandt ist. Das Untergewand ist, in Nach-
bildung der zweifellos in Deutschland, höchst
wahrscheinlich in Köln selbst gewebten früh-
gotischen Tiermuster, mit Adlern und Löwen
nebst Sternmedaillons, Gold auf blauem
Grund, verziert, der Mantel (abgesehen vom
Futterumschlag) ganz in Glanzgold ausgeführt.
Gürtel und Mantelschleife sind den, vornehm-
lich in Köln, gewirkten (in meiner Sammlung
mehrfach vertretenen) Börtchen nachgebildet,
und die hier so beliebte, aus Stuck und bunten
Glasflüssen nebst Bergkristallkabochons ge-
bildeten Verbrähmungen sind in ungewöhn-
licher Fülle zur Verwendung gelangt, im Hals-
ausschnitt an die frühere Art der Parura
wieder anknüpfend. — Die Gliederungsverhält-
nisse der Gottesmutter (in denen sonst ein
gewisses Mißverhältnis zwischen Ober- und
Unterkörper leicht auffällt), sind hier ungemein
harmonisch; die Stellung des durch eine, in dieser
Zeit seltenen, Anmut ausgezeichneten Kindes
mit seiner segnenden Gebärde, in seiner, unten
faltenreicher als gewöhnlich aufstoßenden
feierlichen Toga rundet die Gruppe prächtig
ab, gegenüber der langgezogenen Mantelschleife,
aus welcher der rechte, zu kurze Arm unge-
schickt herauslangt. Trotz des Ernstes im
Ausdruck und der Erhabenheit in der Er-
scheinung der thronenden Gottesmutter wie
ihres segenspendenden Sohnes läßt die ganze
Erscheinung an Grazie nichts zu wünschen
übrig. — Das Sedile, über welches der Mantel
in gefälligem Umschlag herunterfällt, ohne
seine Linien wesentlich zu verdecken, ist seit-
lich mit einer in Lasurfarben aufgemalten
Arkatur geschmückt, wie sie gerade an dieser
Stelle sehr beliebt war, in der Nachbildung einer
mit plastischem Maßwerk verzierten Sitzbank.
Der hier von Mengelberg hinzugemalte Engel
sollte in der neuen Umgebung die Seiten-
wirkung der Gruppe noch erhöhen unter der
(in der Predella) die hh. Dreikönige stehen,
flankiert von je 2 Büstchen aus dem Ciaren-
altar, der bis 1859 ihrer 12 barg, von denen
noch 10 vorhanden. Schnütgen.
 
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