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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Schnütgen, Alexander: Zwei hochgotische Alabasterreliefs englischen Ursprungs
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0176

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Abhandlungen.

Zwei hochgotische Alabasterreliefs
englischen Ursprungs.

it 2 Abbildungen, Tafel IX.)

Versteigerung der Sammlung

Minutoli (1875 zu Köln) erwarb'

ich die hier abgebildeten

Reliefs, die 29 cm hoch,
43 V2 cm breit sind. Sie
gehören zu der großen
Gruppe der in Deutschland
nur vereinzelt, in Norditalien häufiger, in
Belgien, Frankreich und England vielfach vor-
kommenden Alabasterskulpturen, die teils, wie
im Cluny-Museum,zu Altaraufsätzen zusammen-
gesetzt, teils ungefaßt geblieben sind. — Im
antiquarischen Betrieb sind sie mir nur selten
begegnet. — Schlanke Haltung, strenger Falten-
wurf, der bald schwach und flach, bald reicher
und tiefer gehalten ist, zeichnet die typisch
behandelten Gestalten aus, mit ihren verhältnis-
mäßig kleinen, stark profilierten Köpfen. Den
meisten derartigen Gebilden merkt man den
mehr fabrikmäßigen Betrieb an, im Unter-
schiede von selbständig behandelten und künst-
lerisch durchgebildeten Exemplaren. - Längere
Zeit galt die Herkunft dieser Alabasterskulpturen
als ungewiß, bald wurden sie für Norditalien,
bald für Südfrankreich in Anspruch genommen.
Diejenigen behielten Recht, die sie durchweg
für englisch ansprachen, vertrauter mit dem
umfassenden plastischen Betrieb in England
während des Mittelalters, als es bis vor kurzem
die Regel war. Die dort weithin verbreiteten
mächtigen Alabasterbrüche haben diesem leicht
zu verarbeitenden Material vornehmlich im XIV.
und XV. Jahrh. einen großen Kreis von Bild-
hauern gewonnen. Daß es darin an hervor-
ragenden Künstlern nicht fehlte, beweisen
schon die bei Armstrong „Geschichte der
Kunst in Großbritannien und Irland" unter
Nr. 531—540 abgebildeten Statuen und Grab-
denkmäler. Die vielfache Nachfrage und der
gesteigerte Export senkten deren Niveau in
ähnlicher Weise, wie bei den französischen
Grubenschmelzen und Elfenbeintafeln des
XIII. Jahrh. — So flüssig jedoch auch das
Schaffen war, die Schulfestigkeit und die
Bravour behaupteten sich wie in den Einzel-

figuren, so in den besonders beliebten Grup-
pierungen, und die Mannigfaltigkeitder Themata
wie ihrer Behandlung bestätigt die fortdauernde
Frische, die auch aus der stetigen Anpassung
an den Wechsel in den Kostümen und sonstigen
Äußerlichkeiten sich ergibt.

Das, allem Anschein nach, nie bemalt
gewesene Relief 1 stellt die zugleich kniende
und liegende Gottesmutter dar, wie sie, mit
dem Szepter in der Linken, ihr ganz nackt
in mandorlaartiger Krippe vor ihr liegendes
Kind anbetet. Diesem bringen die Dreikönige
ihre Huldigung dar, neben denen der hl. Joseph
über der Heuraufe erscheint, auf der anderen
Seite die erstaunte bzw. anbetende Dienerin;
Alles in engster, aber durchaus klarer An-
ordnung, die bei der Mannigfaltigkeit der
Motive nicht so leicht zu gewinnen war. „Der
Typus der liegenden Madonna", wie Kehrer:
„Die Hl. Dreikönige in Literatur und Kunst",
IL Bd. S. 217—221, diese dem XIV. Jahrh.
nicht ungeläufige Darstellung, unter Beifügung
der Abbildungen 257—264, nennt, weicht im
vorliegenden Falle von dem ähnlichen (als
welcher namentlich Abb. 261: „Englisches
Alabasterrelief im Britischen Museum" zu
markieren ist) durch die zugleich liegende
und kniende Haltung, durch das Szepter,
sowie durch das Kind, das sonst von der
Mutter gehalten, gewöhnlich ganz bekleidet
ist, erheblich ab, so daß mir zu dieser ikono-
graphischen Merkwürdigkeit eine Analogie nicht
bekannt ist. Trotz dieser Archaismen dürften
einige Details, namentlich der Kopfschmuck
der kleinen Dienerin (vielmehr Donatrix) gegen
die Entstehung vor 1400 stimmen.

Das Relief 2 mit vollständiger, dem An-
scheine nach vor einem halben Jahrhundert
aufgefrischter, Bemalung in Deckfarben, stellt
die Gefangennehmung Christi dar.. In hoher
Ausladung sind die 9, eigentlich 4 überlangen,
schmalen Standfiguren knapp drapiert, so daß
deren Bewegungen gut markiert erscheinen.
Die kniende Ritterfigur mit dem Topfhelm in
der Linken bezeichnet ohne Zweifel den Donator.
Die Faltengebung wie die kostümlichen Bei-
gaben lassen an der Entstehung um 1400
keinen Zweifel, und die vogelartigen Profile be-
stätigen den englischen Ursprung. Schnütgen.
 
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