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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Wurm, Alois: Eine Alternative in Sachen Fra Angelicos
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0020

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11

1910.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr, 1.

12

Madonna des Fiesolanerbildes ein äußerlicher.
Da nun Altarbild und Predella anerkannter-
maßen von derselben Hand sind, gerät für
beide das Vertrauen in den angelesken
Ursprung ins Wanken.

Es scheint also, daß die Ringe ineinander-
greifen. Dann bleiben nur zwei Konsequenzen:
Entweder man besiegt den Zweifel auch für
das Pittibild, oder man gibt mit ihm auch
das Fiesolaner Altarwerk preis. Entscheidet
man sich für das erste, so gibt es für den
denkenden Forscher wiederum nur eine Mög-
lichkeit der Einordnung in das Gesamtwerk:
das Pittibild und die Fiesolaner Tafel mit
ihrer Predella können nirgends als am An-
fang der Reihe der uns erhaltenen Werke des
Meisters ihren Platz finden. Ihre Besonder-
heit und vor allem ihre Mängel finden so

zur Vorsicht. Doch diese darf nicht blind
machen gegen die Bedenken, die dem Lösungs-
versuch Wingenroths entgegenstehen. Ich
fasse sie in drei Punkte zusammen.

1. Die fraglichen Bilder sind ihrem ganzen
Kunstgeist nach so grundverschieden von den
Werken, auch den frühen Werken Angelicos,
daß ich in ihnen keine Vorstufe für diese
erblicken kann. Das läßt sich nicht exakt
beweisen, ebensowenig wie das Gegenteil.
Wer aber etwa an der Marienpredella zu
Cortona4) (Abb. 3) die ganze jugendliche
Frische und Liebenswürdigkeit, das reine, feine
Leben, die empfundene Anmut, die originale
Erfindungskraft, die malerische Auffassung,
die freie und lockere Stellung der Figuren
im Raum, die selbständige zeichnerische Fähig-
keit aus manchen Unbehilflichkeiten heraus-

Abb. 3. Teilstück der Marienpredella in Cortona.

allein eine irgendwie faßliche Erklärung. Daß
Max Wingenroth, wohl der bedeutendste An-
gelicoforscher in Deutschland, diese Konse-
quenzen zieht, ist ein Beweis, wie bedrohlich
die Situation für das Fiesolaner Bild geworden
ist. Dieser Forscher sieht klarer als alle
anderen, was aus einer Preisgabe des Pitti-
bildes oder ungeschickten Einordnung der
Londoner Predella folgen müßte. Vor einem
Dutzend Jahren hätte sich der Verfasser jenes
kühnen Büchleins über „Die Jugendwerke des
Benozzo Gozzoli", das ihm so manches harte
Wort eingetragen, und von dem die anderen
nichts Jemen zu müssen glaubten, weil es ein
wenig ins Extrem ging, auch wohl vor der
letzten Konsequenz nicht gescheut. Wenn
der gereifte Mann nun doch der schwierigen
Situation durch die obige Lösung Herr zu
werden hofft,3) so mahnt das auch den jüngeren

s) Angelico da Fiesole, (Bielefeld 1906), S. 17, 21, 24.
Freilich kann er nicht anders, als die Fiesolaner Tafel

gefunden hat, der wird eben mit dem besten
Willen nicht in der Lage sein, diesem jungen
Meister ein Werk zu geben, in dem sich
nichts von alledem zeigt oder auch nur an-
kündigt.

2. Jedes der genannten Bilder, obenan die
am besten erhaltene Londoner Predella, macht
auf mich überhaupt nicht den Eindruck einer
werdenden, sondern fertigen Kunst. Dieser
Maler, empfinde ich, (denn auch hier gibt es keine
strikten Beweise) hat es hier soweit gebracht, als
er es je bringen kann. Er hat keine Zukunft
mehr. Seine Manier ist vollständig ausgebildet

in die Fiesolezeit (1418—1436) setzen, zu deren Beginn
der Meister bereits 31 Jahre zählte. Für den geschulten
Blick dieses Gelehrten spricht es auch, daß er im
Missale Nr. 44 Miniaturen gleichen Charakters findet.
4) Die Frage über Mitbeteiligung von Schülern an
dieser Predella ist dabei belanglos. Ich messe ihr über-
haupt gegenwärtig nicht mehr dieselbe Bedeutung bei
wie früher.
 
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