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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Schnütgen, Alexander: Holzgeschnitztes Ostensorium um 1400
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0022

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15

1910. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST _ Nr. 1-

Holzgeschnitztes Ostensorium um 1400.

(Mit Abbildung.)

ieses äußerst seltene liturgische Jk endigen zu charakteristischer Silhouette.
Behältnis, das aus der Samm- fila Aus dem Scheitel entwickelt sich in üppiger
lung Spitzer durch Goldschmied W Schwellung der Krabbenkelch, aus dem die
Vasters in meine Hände ge- Mittelfiale schlank und mächtig sich er-

78 cm hoch, bei einer Fußtiefe gf hebt. EinehochgotischeMaßwerkbekrönung
einer Aufsatztiefe von 8 cm. Js« füllt oben den Spitzbogen, der unten auf der

Plattform eine Ver-
senkung hat für das

langte, ist
von 14 cm,

Aus Einem Stück Nuß-
baumholz geschnitzt, mit
Ausnahme der eigens
aufgesetzten Pyramide,
ist dasselbe flach ge-
balten, indem der Fuß
nahezu doppelt so breit
wie tief ist, in scharfen
Gräten zu dem acht-
seitigen flachen Nodus
sich verjüngen d, aus dem
trichterartig die Konsole
für den Aufbau heraus-
wächst. Um diese läuft
rings reliefartig die goti-
sche Minuskelschrift
ave • maria • gratia •
plena • dominus tecum
benedict. Aus dieser Platt-
form wachsen zwei nach
vorn wie nach hinten
gleichartig entwickelte,
zusammen 5 1/2 cm
tiefe Strebepfeiler, die
sich in zwei Abschrä-
gungen zu dem Leibe
verjüngen mit den 17 cm
hohen schlanken Fialen.
Die an die Pyramiden
flach und schlank sich
anschmiegenden Krab-
ben verraten den Holz-
bildhauer, wie ihn auch
der Wimperg deutlich
erkennen läßt. Durch-
aus konstruktiv wächst
er zwischen den beiden
Fialen heraus, in zwei
fast rechtwinkelig zu-
sammenstoßenden Bal-
ken bestehend, die, mit
Rosettenfries verziert,
mit Krabbenkranz be-
krönt, in Drachenköpfe

Holzgesdinitztes Ostensorium um 1400. Samml. Schnütgen.

durch diesen Bogen zu
umrahmende Reliquiar.
Welche Form dieses
gehabt hat, läßt sich
mit Sicherheit nicht
mehr ermitteln; segment-
artige Einschnitte in den
aufsteigenden Bogen-
leibungen legen - die
Vermutung nahe, daß
es in einer runden
(Metall-) Kapsel be-
standen habe. — Die
etwas derbe Art, in der
das ■ Ostensorium aus-
geführt ist, namentlich
der sehr einfache Fuß
und die Drachenkopf-
ausläufer lassen ver-
muten, daß als die
Heimat des Ostensori-
ums nicht Frankreich an-
zusprechen sein dürfte,
wohin durch die Archi-
tekturformen die Fährte
gelenkt werden könnte,
sondern eher Flandern,
etwa Lüttich, wo ein
ähnliches Holzreliquiar
im Privatbesitz sich be-
finden soll. — Als Ur-
sprungszeit wird die
Wende zum XV. Jahrh.
angenommen werden
dürfen, der auch die Art
der Bemalung entspricht.
Sie besteht in reich-
licher Vergoldung und
in spärlicher Verwen-
dung von Rot, welches
stellenweise den Grund
bildete. Schnütgen.
 
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