Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

DOI Artikel:
Braun, Joseph: Unveröffentlichte mittelalterliche Paramente
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0024

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
19

1910. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

20

größerer Solidität, verdoppelt. Zum Festbinden
sind an seine beiden oberen Ecken geflochtene
Schnüre aus kräftigem Leinengarn angesetzt,
von denen aber nur einer vollständig er-
halten ist. 1,31 m messend, endet er unten
in eine dünne 9 cm lange Quaste. Als Ver-
zierung dient dem Schultertuch eine 53 cm
breite, 4,7 cm hohe, in Seidenstickerei auf
kanevasartigem Leinengrunde hergestellte Pa-
rura. Die Stickerei zeigt eine Folge von elf
mit geometrisch umgebildeten Tieren (Löwen,
Vögeln, Hirsch), .Bäumchen, Rosette und
Stern gefüllten Rechtecken. Die Darstellungen
sind in Weiß ausgeführt, im Fond wechselt
Rot mit Blau bzw. mit Grün ab. Gearbeitet
sind Fond wie Figuren in vertikalen, faden-
geraden Flechtstich -
reihen. Die Figuren
sind zum größten Teil
mit einem feinen
weißen Faden kontu-
riert, um sie noch etwas
besser als durch den
bloßen Wechsel der
Farbe vom Grund
abzuheben. Amikte
aus dem Mittelalter
gibt es nur sehr wenige
mehr. Der uns hier
beschäftigende istzwar
keineswegs einer der
am reichsten ornamen-
tierten, wohl aber
durch die Feinheit des
Stoffes hervorragend

bemerkenswert und dabei neben dem gleich-
artigen Amikt in der Schloßkirche zu Neres-
heim und dem Amikt zu Valsainte bei Bulle
(Schweiz) eines der ältesten noch vorhandenen
mittelalterlichen Schultertücher. Denn ich
trage kein Bedenken, ihn noch dem XIII.
Jahrh., spätestens aber der Frühe des XIV. Jahrh.
zuzuweisen. Sowohl die geringe Höhe der
Parura, als namentlich auch die Technik der
Stickerei, die gerade für jene Zeit durch manche
Beispiele belegt ist, sprechen durchaus für
eine solche Datierung. Mit dem Charakter
der ornamentalen Motive möchte ich diese
letztere weniger stützen, da ähnliche Darstel-
lungen auch bei den Leinenstickereien des
XVI. Jahrh. wieder gern verwendet wurden.
Immerhin sei betont, daß die Bildung der
Tierfiguren auf der Parura unseres Amikts ent-

Abb. 2.

schieden mehr die Weise der animalen Motive
des XIII. Jahrh. verrät, als die der gleichen
Motive auf den Leinenstickereien des ausgehen-
den Mittelalters und der beginnenden Neuzeit.
Bemerkenswerter noch als der Amikt ist
die Albe (Bild 2), neben der stofflich und
ornamental sehr verwandten Albe in S. Chiara
zu Assisi, eine der ausgezeichnetsten noch
erhaltenen mittelalterlichen Alben.

Ihre Machweise ist die allen Alben des
Mittelalters eigentümliche. Vorn und hinten
ein breites Mittelstück, das oben um den Kopf-
durchlaß herum ohne alle Fältelung geblieben
ist, an den Seiten hohe breite Giren, an
dem nach oben zu etwas schmäler werden-
den Brustteil mit breiten Zwickeln versehene
schräg angesetzte,

Ärmel. Die Länge
des Gewandes beträgt
1,76 m, die Breite ,
der Mittelpartie 1,02m,
die der 1,29 m hohen
oben in dichte feine
Fältchen gelegten, aus
einem breiteren und
einem schmäleren
Stück bestehenden
Giren 1,13 m, der Ge-
samtumfang unten am
Saum also 4,20 m.
Auch die Albe ist aus
feinem Leinenbatist
gemacht, der hier
aber durch abwech-
selnde Anwendung von
schwächeren und stärkeren Fäden sowie durch
lockere bzw. dichtere Zusammenstellung der
Kettenfäden wie mit Streifen gemustert er-
scheint. An einigen Stellen, an denen das
Gewand schadhaft geworden war, ist ihm ein
Flecken des gleichen Stoffes aufgenäht, im
übrigen aber ist die Erhaltung vortrefflich.

Unten in der Mitte der Vorder- und Rück-
seite befindet sich, 13 cm vom Rand ent-
fernt, eine 0,40 m breite, 0,32 m hohe Parura,
bestehend aus einem Stück roten, grün und
golden gemusterten orientalischen Brokats.
Der grüne Schuß geht durch, das Gold —
Häutchengoldfäden — ist dagegen nur an be-
stimmten Stellen einbroschiert. Das Muster, mit
dem der Stoff versehen ist, setzt sich abwechselnd
aus einer Reihe streng stilisierter doppelköpfiger
Adler, die einen kleinen Vogel in den Klauen
 
Annotationen