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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Braun, Joseph: Unveröffentlichte mittelalterliche Paramente
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0025

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21

1910.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. !'•

'22

haben und quer über die Flügel ein Band
mit arabischer Inschrift tragen, und einer
Reihe der bekannten mandelförmigen Vor-
läufer des späteren Granatapfels zusammen.
Von der durchaus verwandten Musterung einer
Anzahl noch erhaltener Damaste, die für die
saracenische Seidenweberei des XIII. Jahrh.
charakterisch sind, unterscheidet es sich vor
allem dadurch, daß die beiden Reihen nicht
neinander versetzt sind, sondern völlig parallel
zu- und übereinander verlaufen. In Gold
sind ausgeführt die
Köpfe der Adler, die
Inschriftenbänder und
die Klauen samt den
von ihnen umkrall-
ten Vögeln. Der
grüne Einschuß ist
in Zonen und ohne
Rücksicht auf die
Musterung ange-

bracht, so daß diese.
Adler wie Mandeln,
teils in Grün auf
rotem Grund, teils
in Rot auf Rot —
also nach Damastart
— gearbeitet er-
scheint.

Das Kopfstück der
Giren ist ohne Ver-
zierung geblieben, um
so reicher sind aber
dafür der Brustteil, die
Schultern, der Rücken
und die Ärmelsäume
der Albe behandelt.
D|e Stickereien,

mit welchen das Ge- ^^^^^^^^^
wand vor der Brust — wo ein Schlitz
und auf den Schultern geschmückt
sind in Bild 3 wiedergegeben. Sie
sind in kurzen, vier bis sechs Fäden über-
spannenden Stopfstichen ausgeführt. Die Zier-
streifen auf den Schultern zeigen um das
Muster herum eine leichte Kontur in farbiger
Seide, Violettrot, Rot, Grün und Gelb, bei
welcher die Farben in Abschnitten wechseln.
Auffallend und für die freie Auffassung der
mittelalterlichen Sticker bzw. Stickerinnen
bezeichnend ist, daß die obere Partie der
ßrustverzierung in derberer Technik ausge-
führt würde als die untere, daß die Oramente,

Abb. 3

fehlt —

ist,

in welche die Schwänze der unter dem Baum
befindlichen Drachen auslaufen, auf ganz
verschiedener Höhe liegen, und daß die Zier-
besätze auf den Schultern nicht bloß ein
ganz verschiedenartiges Motiv aufweisen, son-
dern auch andere Breite. Jene Sauberkeit,
Gleichmäßigkeit und Vollendung der Arbeit,
welche wir heute von den Stickereien fordern,
war nicht gerade die Sache der mittelalter-
lichen Sticker und Stickerinnen, wie wir in
hunderten von Fällen feststellen können. Man
_____sah nur auf die Wir-
kung im großen und
ganzen; um das Ein-
zelne, um das Kleine
war man nicht ängst-
lich besorgt, auf der
einen Seite gewiß ein
Vorteil, sofern das den
Stickereien Frische
und Urwüchsigkeit
sicherte, auf der an-
deren aber zweifellos
ein Nachteil, da zu
einer vollendeten
Stickerei auch ein
gewisses Maß von
Gleichmäßigkeit, Kor-
rektheit und Glätte
der Ausführung ge-
hört. Wie sehr man
sich gegebenenfalls
gehen ließ, bekunden
namentlich die Sticke
reien auf dem Rücken
der Albe, große aus
Hacken und ähn-
lichen geometrischen
^^^^^^^^^^^^^^ Motiven zusammen-
gesetzte, ebenfalls im Stopfstich ausgeführte
rautenförmige Gebilde, von denen nur eines
fertiggestellt wurde, während man bei dem
andern sich mit dem bloßen Anfang beschied.
Was den Stickgrund anlangt, so diente als
solcher für alle die genannten Stickereien der
Albenstoff selbst.

Noch beachtenswerter übrigens als die
Verzierungen auf Brust, Rücken und Schultern
des Gewandes sind die Bordüren der Ärmel
(Bild 4). Sie gehören zu den ältesten mir
bekannten Reticeilastickereien. In lockerm
Batist wurden durch Einstopfen eines kräf-
tigen Leinenfadens zwei Bänder hergestellt,
 
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