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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Schnütgen, Alexander: Die Sammlung Schnütgen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0078

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1910. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

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pierung aufnehmen, so daß einige derselben
auf der ersten Etage, von denen einer als
Kapelle eingerichtet war und benutzt wurde,
den eigentlichen Wohnungscharakter nicht
mehr behaupten konnten, aber doch ein
bequemes Umherwandeln zwischen den Kunst-
werken gestatteten, der Saal mit seinen (teilweise
neuen) Gebrauchsmöbeln noch die Wohnlich-
keit wahrte. Auf diese Weise wurde die
Eigenschaft der Privatsammlung nirgendwo
verleugnet, die namentlich auch durch den
Umstand in die Erscheinung trat, daß fast alle
Objekte, mit Ausnahme der sehr zahlreichen
kleinen, die in neun Vitrinen eng sich zu-
sammenhäuften, frei aufgestellt waren, zugleich
derart, daß durch systematische Zusammenstel-
lung die Entwicklungsreihen sofort in die Augen
sprangen und ihre Lehrhaftigkeit betätigten.

Diese nahe Beziehung zu den Einzelheiten,
zwischen die und den Beschauer sich nur
vereinzelt ein Glas schob, erschien schon vor
einem Jahrzehnt manchen Besuchern als Haupt-
vorzug der Aufstellung, so daß bei ihnen schon
damals, nachdem ich von der Absicht, aus der
Sammlung eine Stiftung zu machen, Kenntnis
gegeben hatte, sogar die Meinung auftauchte von
der Wichtigkeit und Erreichbarkeit ihrer Fort-
dauer in diesen Räumen, ein utopistisches, aus
momentaner Begeisterung erklärbares Projekt.

Aus den photographischen Aufnahmen,
welche die Erinnerung an einzelne Gruppen
und Perspektiven bewahren, mögen hier einige
herausgegriffen werden. — Den Anfang möge
bilden die im Eintrittsgange entstandene, die
links noch die Tür zum Wohnzimmer, darüber
das Oberlicht erkennen läßt, in der Mitte die
Säule, die dem an sich etwas schwach be-
lichteten Flurraum mit der offenstehenden
Tür des Neben (Bibliothek-) Zimmers, zumal
im Bunde mit der zweiten Säule am Treppen-
aufgange, einen feierlichen Charakter verleiht.

Diesen Flur eröffnen auf Untersätzen die
beiden liegenden romanischen Kalksteinlöwen
mit Säulenbasen, merkwürdige Überreste vom
Portal einer vor 100 Jahren abgebrochenen
Kirche in der Nähe Kölns, die auch im neuen
Museum den Eingangzur„SammlungSchnütgen"
flankieren sollen. Daneben kniet links die
Barockholzfigur eines drastischen Bettlers (aus
einer St. Martinusgruppe); darüber hängt an
der Wand ein spätgotischer Ritter, St. Martinus
zu Pferd, höher ein ganz kleiner Tiroler

Palmesel aus einem Passionsspiel, zuoberst
das seltene Exemplar eines tragbaren Palm-
esels der Spätgotik, zu dessen Füßen die
durchbrochene Zwickelverzierung eines überaus
feinen eisengeschmiedeten Armes auffällt,
überragt von dem bemalten Holzrelief einer
bayerischen Heiligenfigur. — Neben dem
Bettler steht auf den Hinterbeinen ein vor-
züglich modellierter, mit Wappenschild be-
wehrter Holzhund, der als Sockel einer hessi-
schen Kanzel gedient haben soll, hier eine
hochgotische französische Madonna trägt. Auf
der anderen Seite der Säule beherrscht unten
das Bild der in einem neuen, mit alten Zunft-
stangen verzierten Gehege stehende lebensgroße
spätgotische Palmesel, der aus St. Kolumba zu
Köln stammen soll, und wohl das einzige noch
erhaltene norddeutsche Exemplar dieser Art
ist, allen anderen durch Ausdruck, Haltung,
Ausführung überlegen, auch den beiden nur
etwas kleineren, ebenfalls mit Rädern ver-
sehenen schwäbischen Genossen, aus der Mitte
des XVI. Jahrh., die hier im Hintergrunde
nur teilweise erkennbar sind. — Die hinter
dem großen Palmesel sich geltend machenden
Standfiguren leuchten aus dem Nebenzimmer
herüber, von eisengeschmiedeten Barockwand-
leuchtern flankiert und rings von Holzkruzi-
fixen umgeben, welche die Wände des Flures
bedecken, verschieden an Größe, Alter, Auf-
fassung, zu der großen, über 300 Exemplare
zählenden Gruppe, gehörig, welche den Ent-
wicklungsgang der Darstellung des gekreuzigten
Heilandes vom X. bis ins XVIII. Jahrh. ver-
anschaulicht. — Die große, aus dem Bogen-
scheitel herabhangende westfälische Doppel-
madonna um 1500 ist in Bd. XX. Tafel V
beiderseitig abgebildet und beschrieben mit
der (dort Tafel IV wiedergegebenen) ver-
wandten Doppelfigur, die auf der vorliegenden
Abbildung den anderen Bogen füllt. Darüber,
zwischen den beiden Bögen, steht auf einer
Barockkonsole eine Selbdrittgruppederspäteren
Renaissance unter einem Rokokobaldachin,
der die ganze Aufnahme abschließt. — Wenn
diese Aufnahme wegen der mancherlei Verkür-
zungen und Überschneidungen der Einheitlich-
keit und Geschlossenheit etwas ermangelt, so hat
dies in der kurzen Distanz seinen Grund. Wo
diese weiter genommen werden konnte, haben
sich bessere Effekte ergeben, wie einige der folgen-
den Tafeln beweisen werden. Schnütgen.
 
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