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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Witte, Fritz: Thuribulum und Navicula in ihrer geschichtlichen Entwickelung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0080

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103

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

104

zeigen die Bildwerke der Kaiserzeit auf dem
Konstantinbogen und der Trajansäule und
die Opferszenen auf den Altären. Interessant
ist in dieser Hinsicht ein vorzüglich erhaltener
Marmoraltar in Neapel: Der opfernde Priester
hat die Toga von rückwärts über den Kopf
gezogen; in der Rechten hält er eine Schale,
aus der er den Weihrauch in die auf einem
Dreifuß ruhende Pfanne streut. Auf der
Schmalseite desselben Altares ist neben dem
beim Opfer gebräuchlichen Handtuche der
offenstehende Weih-
rauchbehälter abge-
bildet, ein rechtecki-
ges Kästchen mit vier
Kugelfüßen. Auf den
ägyptischen Darstel-
lungen sind es wie
auf dem Parthenon-
Friese langgestielte
Pfannen, öfters in
Gestalt einer weit-
kelchigen Lotos-
blume, ganz ähnlich
den Räuchergefäßen,
welche die gute japa-
nische Kunst in Ost-
asien in Bronze ge-
bildet hat. Weiterhin
finden sich auf den
ägyptischen Tempel-
malereien eigenartige
Instrumente, die um
so mehr Beachtung
verdienen, als . sie
einerseits identisch
mit dem „Kaph" des
Tempels zu Jerusa-
lem, andererseits auch
Vorläufer der in den
Gräberfeldern von Achmim-Panopolis gefunde-
nen koptisch-christlichen Räucherpfannen und
einzelner im Silberschatze vonLuksordes Muse-
ums zu Kairo sind. An einem langen geraden
Stiele ist in eine trichterförmige Hülse eine aus
Metall gefertigte Hand geschoben, die in ihrer
Höhlung die halbkugelförmige Räucherschale
trägt. Der Opfernde streut mit den Finger-

Abb. I.

»Religion und Kultus der Römer« (München 1902)
S. 352.

Elfenbeindiptychon des II. Jahrb.. im S.-Kensingt.-
Museum,

spitzen von oben herab die Weihrauchkörner
in die heiße Pfanne2).

Daß die Christen sich von Anfang an bei
ihrem Gottesdienste des Weihrauches bedienten,
ist keinesfalls zu beweisen; die sonst so
gesprächigen Katakombenmalereien der ersten
drei Jahrhunderte schweigen völlig darüber,
und darin allein scheint mir schon der Beweis
zu liegen, daß Räuchergefäße den Christen
unbekannt waren. Originalmonumente wie
literarische Quellen setzen erst mit dem IV. Jahr-
hundert ein. Was
wir an alten Berichten
anführen können, die
Fleury kritiklos für
die Existenz des Thu-
ribulums beim Gottes-
dienste aufführt, sind
nichts weiter denn
Belegstellen dafür,
daß der Weihrauch
bei Begräbnissen
gebraucht wurde. Für
die Entwickelung der
Räucherung zu einer

rein liturgischen
Handlung ist dieser
Umstand von größter
Bedeutung. Wir legen
seit Durandus und
länger dem Weih-
rauch bei der Messe
und bei sonstigen
Funktionen den Ge-
danken des zu Gott
emporsteigenden Ge-
betes unter, und zwar
mit Recht; wir denken
aber nicht daran, daß
die bei der Benedik-
tion des Inzens gesprochenen Gebete sowie
seine Verwendung bei der absolutio * ad
tumbam, bei Palm- und Gräberweihe auf
etwas ganz anderes hinweisen. Daß der
hl. Michael bei der Weihe des Inzens
beim Offertorium angerufen wird, legt schon
eine ähnliche Zweckbestimmung des Weih-
rauches nahe, wie ihn das geweihte Wasser

2) Abbildung der Szene bei Riehm-Baethgen:
„Handwörterbuch der biblischen Altertümer." II. 1277.
Hochgestelzte Räucherbecken bergen fast alle giößeren
Museen Italiens, vor allem das Museo Nazionale zu
Neapel.
 
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