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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Witte, Fritz: Thuribulum und Navicula in ihrer geschichtlichen Entwickelung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0082

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107

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

108

zweifellos derselben Provenienz das vielbe-
sprochene Rauchfaß in Mannheim und eines
im Museo Nazionale in Neapel in betracht.
Unter all diesen Stücken sind zwei Haupt-
gruppen zu unterscheiden, Räuchergefäße ohne
Ketten, die wir ihrer Gestalt entsprechend
füglich Räucherpfannen nennen wollen,
und solche mit Ket-
ten. Unter den letz-
teren haben wir wie-
derum zwei Gruppen
zu unterscheiden,
Thuribula in poly-
goner und solche
in kegelförmiger
Bildung. Die Klassi-
fizierung in Rau-
cher pfannenund
Schwenkgefäße,
die Strzygowsky be-
reits getroffen hat, ist
die zunächst ein-
zig zulässige6). Ich
möchte ihnen eine
dritte Gruppe zuteilen,
die allerdings nur
in zwei Exemplaren,
und zwar in völlig
gleicher Gestaltung,
auf uns gekommen
ist. Das in der Samm-
lung Schnütgen ist
das besser erhaltene
und läßt eine Vermutung über die
Art des Gebrauches zu. Wie aus
unserer Abbildung nach dem in Cava
dei Tirreni in Italien aufbewahrten
Stücke ersichtlich ist, hat dieses
Räuchergefäß in seiner zylinderischen
Durchführung mit Türchen, kreuz-
förmigen Zuglöchern und runden
Rauchöffnungen die Gestalt eines
kleinen Ofens. (Abb. I.) Es ist
schwer, über seine Herkunft bestimmte
Angaben zu machen; ich möchte aber mit
Rücksicht auf die Kreis- und Punzenorna-
mentierung an Ägypten oder Sizilien als
Geburtsstätte denken; an letzteres vor allem

Abb. III,

Abb. III a.

Abteilung kopt. Kunst, bearbeitet von Jos. Strzygowsky,
pag. 280 ff. (Nr. 9108—9123). Dortselbst mehrere
Abbildungen, darunter drei aus dem Silberschatze von
Tuksor.

6) •». a. O. S. 281.

im Hinblick auf das ziselierte Kammmuster
und die Rosettenknöpfe der Scharniere; ein
Gegenstück habe ich nicht auffinden können.
Das Exemplar der Schnütgen - Sammlung
hat seitwärts zwei Zapfen mit Löchern. Sie
sitzen so am Gefäß, daß der Schwerpunkt
nach unten liegt, und sind drehbar. Höchst
wahrscheinlich hingen
die Gefäße in einem
Gabelträger, an ein
Getragenwerden ist
nicht zu denken, und
gegen die Annahme
eines Standgefäßes
sprechen die Ösen
sowie die unschein-
baren Füßchen. Die
Profilierungen des
Knaufes auf dem
aufklappbarenDeckel
könnten zeitlich so-
wohl in die Periode

der abflauenden
Römerkunst wie in
die der Protorenais-
sance fallen. Eine
zweite Frage ist die,
ob dieSchwenkgefäße
sich nicht zunächst
aus den Standgefäßen
entwickelt haben,
und das scheint durch-
aus wahrscheinlich zu
sein. Einerseits können wir für
Schwenkgefäße in der antiken Kunst
und Liteiatur Beispiele nicht an-
führen, andererseits kommen Räucher-
pfannen und Schwenkgefäße vor, die
sich nur dadurch unterscheiden, daß
sie einmal an Ketten, das andere
Mal an einem Griffe getragen werden.
Mir scheint, an ein Tragen der Weih-
rauchfässer in unserem heutigen
Sinne ist in den ersten Jahrhunderten
nicht immer zu denken, und wo von Gefäßen
mit Ketten die Rede ist, da wird es sich öfter
um Behälter handeln, wie sie noch unter
Papst Sergius im Papstbuche erwähnt werden,
um solche nämlich, die an der Confessio der
Heiligen oder vom Querbalken der Chorpergola
herniederhingen. Daneben weisen die kop-
tischen Funde aber schon frühzeitig auch das
eigentliche Schwenkfaß auf. Zwei Gruppen
 
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