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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Witte, Fritz: Thuribulum und Navicula in ihrer geschichtlichen Entwickelung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0083

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109

1910. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4,

sind hier wieder von einander zu trennen. Die
Mosaiken von S. Vitale in Ravenna und die
Bilderzyklen in S. demente in Rom geben uns
ziemlich genaue Abbildungen von Rauch-
gefäßen, die sich mit denen der koptischen
Funde vollkommen decken. Charakteristisch
ist all diesen an Ketten getragenen Behältern
das Fehlen des Deckels. Unsere Abbildung
nach dem vorzüglich erhaltenen Exemplare im
Germanischen Museum zeigt den Typus, der am
häufigsten auftritt. (Abb. II.) Das
Becken ist polygonal gestaltet
in Form eines sechseckigen
Kästchens aus Bronze; der
obere geschweifte Rand ladet
im rechten Winkel zur Gewan-
dung stark aus und trägt an
Ösen die drei Ketten, die oben
nicht, wie es später allgemein
Brauch wurde, zusammen-
laufen, sondern einzeln mit
einem weitgebogenen Haken
versehen sind, der es gegestattete,
das Gefäß aufzuhängen. Die
sechs fast quadratischen Wangen
tragen als einzigen Schmuck
mehrere konzentrische Kreis-
muster. Das Becken selbst
ruht auf vasenförmigen ge-
drehten Füßchen.

Die zweite Gruppe setzt
sich zusammen aus den Stücken,
die einen Deckelverschluß haben
und durchweg eine zylindrische
oder kelchförmige Gestalt auf-
weisen. Sie sind ziemlich zahl-
reich und für uns von be-
sonderer Bedeutung, weil sie
uns Aufschluß geben über Her-
kunft und Alter des vielum-
strittenen Mannheimer Räucher-
gefäßes. Letzteres hat schon auffällige ver-
wandtschaftliche Beziehungen zu einer Räucher-
pfanne im Museum zu Kairo. Neuerdings
fand ich im Museum des deutschen Campo
Santo zu Rom unter den vom Prälaten
de Waal mit Geschick und Geschmack zu-
sammengestellten koptischen Altertümern ein
Rauchfaß, das sich in der Gestaltung wie in
den Größenverhältnissen fast vollkommen deckt
mit dem Mannheimer Stück. Die außerordent-
lich charakterischen, breitpostierten Füße, die
zylindrische Kesselform des Feuerbeckens, die

geschwungene Helmform des Deckels, alles
das stimmt bei beiden Stücken genau überein.
Der einzige Unterschied besteht in den Rauch-
öffnungen, die beim Mannheimer Stück durch
Ruudöffnungen mit dem Monogramm Christi,
bei dem im Campo Santo zu Rom durch
ä jour gearbeitetes Weinornament gebildet
sind. (Abb. III.) Allein mit Rücksicht auf die
Form der Füßchen würde ich sogar beide
Stücke ein und derselben Werkstatt in Ägypten
zuschreiben. Wie das Gefäß
nach Deutschland gekommen,
kann dabei gleichgültig sein;
wenn aber das Neapeler Mu-
seum koptische Räuchergefäße
aus italienischen Ausgrabungen
birgt, warum soll der Export
dann nicht auch durch Missio-
nare über die Alpen möglich
sein? Damit fallen alle die
Versuche, das Gefäß dem III.
oder gar IX. Jahrh. zuzu-
weisen, ganz von selbst hin7).
Diese beiden Thuribula scheinen
mir der älteren koptischen
Periode, etwa des IV.—V. Jahrh.,
anzugehören. Von ihnen weiter-
entwickelt sind eine Reihe
anderer, die viel weniger wie
sie den Charakter eines Stand-
und Schwenkgefäßes zugleich
aufweisen, die der späteren
mittelalterlichen Form sich
nähern und in ihrer ganzen
Anlage zu wirklichen Schwenk-
fässern geworden sind. Ein
gut erhaltenes Stück birgt wie-
derum das Germanische Mu-
seum. Der Feuerbehälter hat
ausgesprochene Kelchform, der
geschweifte Deckel schlichte
Rundöffnungen zum Durchlassen des Rauches»
die regelmäßig verteilt sind. (Abb. IV.) Die
Ketten sind noch nicht am oberen Ende zu-
sammengeschlossen, sondern einzeln mit Haken
versehen. Wie bei dem Mannheimer und dem

7) F. H. Kraus, »Geschichte (Ter christl. Kunst«,
I. S. 525 f. Das Exemplar im Campo Santo zu Rom
stammt aus den Ausgrabungen von C. M. Kaufmann
und ist als koptisch verbürgt.

C. M. Kaufmann, »Handbuch der christlichen
Archäologie«, S. 567 f.

Lessing, „FrühchristlicheWeihrauchfässer", »Jahrb.
d. k. p. K.« S. n. 89.
 
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