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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Witte, Fritz: Thuribulum und Navicula in ihrer geschichtlichen Entwickelung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0084

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1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

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römischen Exemplare läuft der Deckel in einem
am Feuerbecken befestigten Scharnier, die
Zugkette fehlt also noch.

Strzygowsky macht eine weitere Ein-
teilung der überlieferten Stücke mit Ketten,
und zwar unterscheidet er Thuribula in
reicherer Form mit hohem Fuß und
Deckel an einer Kette und eine gewöhn-
lichere Art mit niedrigem Fuß ohne
Deckel, mit drei Ketten. Diese Grup-
pierung hat keine Berechtigung, denn das
römische, das Mannheimer und Nürnberger
Exemplar sprechen dagegen, es sind zwei
Geßlße mit niedrigem Fuß, mit Deckel und
drei Ketten und eines mit hohem Fuß und
Deckel und drei Ketten. Das letztere möchte
Strzygowsky allerdings, ohne Angabe eines
Grundes, als nicht koptisch-ägyptisch an-
sprechen; es stammt aber aus den Funden
von Achmim Panopolis, und zudem ist die
Kettenkonstruktion mit ihren Haken dieselbe
wie bei vielen anderen Stücken derselben
Herkunft. Ich glaube, daß die Thuribula mit
einer Kette immerhin in der Minderzahl sind;
außer den im Museum zu Kairo aufbewahrten
ist mir keines bekannt, ein hochinteressantes
Stück aus Bronze mit einem Löwen als Klapp-
deckel im Museo Nazionale zu Neapel, über
dessen Herkunft ich nichts erfahren konnte,
hat allerdings nur eine Kette, scheint aber
einer späteren Zeit anzugehören8).

Gegen Strzygowskys Klassifizierung spricht
und zugleich einen Typ für sich bildet ein
(Oktober 1906) bei Klis-Salona in Dalmatien
gefundenes Thuribulum, das sich in der Ge-
staltung eines Feuertopfes auf den ersten Blick
mit den eben besprochenen sechseckigen
koptischen Stücken deckt, in Wirklichkeit aber
doch wesentliche Unterscheidungsmerkmale
aufweist. Es fehlt der den ersteren eigene cha-
rakteristische breite Rand, dafür hat das Stück
einen Profilrand unten und Füßchen, die
wiederum stark an das Rauchgefäß zu Mann-
heim und Rom erinnern. Daß es mit den
aus dem Germanischen Museum beigebrachten
koptischen Gegenstücken eine intime Ver-
wandtschaft hat, erweist die prägnante Bildung
der einzelnen Kettenglieder: Jedes Doppel-
glied ist so hergestellt, daß ein Öse diagonal
zu dem zweiten steht, während beispielsweise
die Doppelglieder mittelalterlicher Ketten die

8) Strzygowsky a. ;:. O.

einfachere Form eines geschlossenen Frage-
zeichens haben. (Vgl. Abb. IV.) Das Exem-
plar aus Klis-Salona hat aber eine hervor-
stechende Eigentümlichkeit in dem hübschen
Verschlußdeckel mit seinen gestelzten Bogen-
stellungen als Rauchdurchlässe und dem be-
krönenden Vögelchen. Von großer Bedeutung
ist der Umstand, daß für das Alter dieses
Exemplares ein Status ad quem festgelegt
werden kann durch das Datum der Zerstörung
der Kirche, in deren Ruinen es gefunden
wurde. Zugleich auch ist es das einzige m. W.,
das in einer Kirche gefunden, also augen-
scheinlich beim Gottesdienste gebraucht wurde.
Damit gewinnen wir auch die Anhaltspunkte
für die Datierung der vielen koptischen Thuri-
bula sowie des Mannheimer und römischen
Stückes. Als Entstehungszeit können wir die
Periode von etwa 350 bis 600 festlegen, denn
die fragliche Kirche wurde um 614 zerstört9).
Ein sehr verwandtes, in Deutschland gefundenes
Exemplar befindet sich im Kunstgewerbe-
Museum zu Berlin, das neben anderen den
Beweis erbringt, daß koptisch-orientalische
Stücke nach Norden exportiert worden sind.
An diese beiden architektonisch behandelten
Thuribula schließt sich eine Reihe anderer
an, die bislang ganz übergangen oder gar
ihrer Herkunft und ihrem Alter nach falsch
bezeichnet sind. Ihr Vorläufer steht im Kaiser-
Friedrich-Museum. Dieses Stück hat voll-
kommen die Gestalt eines Kelches mit hohem
Fuß und Deckel. Letzterer ist in ganz charakte-
ristischer Weise schuppenartig so durchbrochen,
daß eine Reihe halbkreisförmiger Bänder jedes-
mal auf dem Scheitel einer unteren steht.
Die Bekrönung des Deckels bildet ein Kreuz
mit geschweiften Balken10). Von diesen Ge-
fäßen bis zu denen der romanischen Periode
ist es nur noch ein Schritt. (Fortsetzung folgt.)
Köln. Fritz Witte.

9) Vgl Aufsatz von Mons. Bulic-Spalato im
»Nuovo Bullettino di Archeologia Christiana« Anno
XIV. 197 ff. und »Bullettino dt archeologia e storia
dalmata 1907« p. 101 ff.

»Dati sicuri per l'epoca del nostro luribulo, oltre
la soraiglianza con quello di Mannheim, noi troviamo
nello stile della chiesetta sopra descritta, alla quäle
apparteneva il turibulo . . . ne possono andare dopo
i primi due decenni del secolo VII, nel secondo dei
quali cioe circa il 614, Salona fu distrutta « Ebi-nd. 203.

">) Vergl. O. Wulff, „Altchrislliche und mittel-
alterliche byzantinische und italienische Bildwerke"
Teil I, Berlin 1909, Tafel XL VI, Nr. 977.
 
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