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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Halm, Philipp Maria: Oberbayerische Tonreliefs
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0085

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113

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

114

Oberbayerische Tonreliefs.

(Mit G Abbildungen.)

aß Terrakotta in Altbayern vielfach
zu architektonischen und plastischen
KunstwerkenVerwendung gefunden
ü hat, ist wohl im allgemeinen be-
kannt, dennoch hat man es bis jetzt nicht der
Mühe wert gefunden, die erhaltenen Denk-
mäler einmal im Zusammenhange zu behan-
deln. Mit Nachstehendem sei der flüchtige
Versuch gewagt, wenigstens für Oberbayern
eine Übersicht über die Reliefbildwerke aus
gebranntem Ton zu geben. Tonreliefs sind
gegenüber freiplastischen Tonfiguren in Ober-
bayern erheblich zahlreicher vertreten und
bieten in ihrer mehrfachen Verwendung als
Epitaphien und Votivbilder durch Inschriften,
weiter auch durch die beigefügten Mono-
gramme zunächst geeignetere Fixpunkte für
eine Ordnung und Gruppierung des Materials
als die Freifiguren.

Die ältesten Terrakottareliefs Altbayerns,
die mir bis jetzt bekannt geworden sind, finden
sich, an der nördlichen Außenwand der Pfarr-
kirche zu Pfaffenhofen a. Um eingemauert, drei
kleine Platten von ziemlich kräftigem Relief1).
Sie stellen Passionsszenen dar, Christus am
Ölberg (0,32X0,32 m), die Domenkrönung
(0,34X0,34 m) und die Kreuzschleppung
(0,38x0,39 m).

Die geringen Abmessungen der fast qua-
dratischen Platten zwang zu einer möglichst
stenographischen Komposition. So beschränkt
sich die Domenkrönung, von der Figur Christi
abgesehen, auf zwei Henkersknechte, der
Kreuzschleppung assistiert nur der knieende
Stifter, ein geharnischter Ritter, und der Ölberg
gibt die primitive typische Komposition des
knieenden Christus mit den schlafenden Jüngern
ohne die herannahende Schar des Judas. So
primitiv die ganze Mache des Reliefs ist, so
entbehren sie nicht einer gewissen Frische
und Lebendigkeit in der Auffassung und bei
aller Schlichtheit nicht eines Zuges von Größe.
Die langgezogenen Falten und die Rüstung
des knieenden Stifters deuten auf die Spätzeit
des XIV. Jahrh. oder die ersten Jahre des
XV. Säkulums hin.

In enger Beziehung zu diesen Bildwerken
steht ein Relief der Beweinung Christi mit

') »Die Kunstdenkmale des Königreichs Bayern«
(ferner zitiert K.D.B) I, 133. «.

Maria und Johannes (H. 0,37 m, Br. 0,24 m)
in Sulzbach bei Aichach2). Stilistische Eigen-
tümlichkeiten legen die Zugehörigkeit des
Stückes zu der vorigen Serie sehr nahe.

Der fromme Brauch, Ölberge an Kirchen
zu errichten, der im XV. Jahrh. immer größere
Verbreitung fand, spiegelt sich in Bayern in
zumeist kleinen Steinbildwerken wieder; mehr-
fach begegnet-man aber auch Gethsemane-
darstellungen in Terrakotta, so in Freinhausen,
Bez.-Amt Ingolstadt8), in St. Michael in Moos-
burg 4) und in der Frauenkirche zu München 6);
häufiger noch begegnen sie in Niederbayern,
vor allem in dem Vils- und Rottal. Alle diese
Ölbergdarstellungen sind von mäßiger Größe;
selten überschreiten sie die Hälfte eines Meters
an Länge oder Breite. Man hat den Eindruck
der Ängstlichkeit und geringen Zutrauens zur
Technik; man fürchtet den Mißerfolg des
Brandes bei größeren Maßen. Die Mo-
dellierung ist meist dürftig, die Komposition
unbeholfen. Das Primitive der ganzen Dar-
stellung erweckt die Vermutung wesentlich
höheren Alters; der Faltenwurf aber läßt in
den seltensten Fällen einen höheren Ansatz
als die Zeit um 1480 zu.

Auch für Epitaphien findet man gegen
Ende des XV. Jahrh. die Tonreliefbildnerei
herangezogen, so z. B. in Feldkirchen bei
Freising6). Die kleine Tafel (Höhe 0,21, Breite
0,56 m) enthält nur die säuberliche Inschrift:
Joerg dornmaiet Agnes sein Hausfrav vnd michel
dornmaier sein vater 149g. Dieser mehr hand-
werklichen Arbeit gegenüber bedeutet eine
Grabplatte am Chor der St. Johanneskirche
in Moosburg7) sowohl in künstlerischer wie
technischer Hinsicht einen ganz außerordent-
lichen Fortschritt. Die Platte mißt in der
Höhe 1,43 m, in der Breite 0,73 m, also Ab-
messungen, die eine tüchtige praktische Er-
fahrung voraussetzen. Und stellen sich die
älteren kleinen Platten mehr als Äusserungen
einer bescheidenen Volkskunst dar, so haben
wir es hier mit einer wirklich künstlerischen
Leistung eines gewandten Modelleurs zu tun.

-) KD.B.

I,

228.



8) K.D B.

I,

156.



<i K.D.B.

I,

422.



'•>) K.D.B.

I,

986,

922,

«) K.D.B.

I,

397.



7) K D B.

I,

421.


 
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