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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Halm, Philipp Maria: Oberbayerische Tonreliefs
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0086

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115

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

116

Oben und unten wird das Bildfeld von je
zwei Wappen begrenzt; im Bildfeld selbst
knieen der Ritter Haimeram Taimer und seine
Frau Elisabeth und unter ihnen in kleineren
Figürchen deren sechs Söhne und drei Töchter.
Bedauerlicherweise sind sämtlichen Figürchen
die Köpfe abgeschlagen. Die ansprechende,
namentlich auch durch die Kostüme inter-
essierende Arbeit stammt aus dem Jahre 1497.

Aus der ersten Hälfte des XVI. Jahrh. hat
sich nur ein einziges Tonrelief erhalten, eine
Beweinung Christi in der Marktkirche St.
Johannes Baptista zu Neumarkt a. Rott8).
(Abb. l'.j Die Platte mißt 0,63 in der Höhe
und 0,5 m in der Breite. Die Darstellung ist
von ausgesprochenem Hochrelief, das sich
stellenweise bis zur Freiplastik steigert. Am
Fuße eines nur gemalten Kreuzes steht Maria,
die Mutter des Herrn. Vor sich auf dem
Saume des Gewandes hält sie den vom Kreuze
genommenen Christus, den Oberkörper mit
der Linken unterstützend, mit der Rechten
den rechten Arm Christi leicht emporhaltend.
An ihrer linken Seite steht Johannes. Mit
zarten Händen gibt er dem dornengekrönten
Haupte des Heilandes Halt. Ihm ent-
sprechend runden die beiden anderen Marien
auf der linken Seite des Kreuzes die Gruppe
ab. An den Enden des Querholzes des
Kreuzes sind zwei tartschenartige Wappen-
schilde angebracht. Am Fuße des Bildwerks
liest man in scharf in den Ton eingeschnittenen
Minuskeln: „dyse figur der parmherczikait behuet
7'ns vor alle herczn laidt" und darunter den
Namen des Stifters: „Thoman salczinger 1507".

Die mehrfach erneuerte Bemalung des
Reliefs in Leimfarben beeinträchtigt die
plastische Erscheinung wesentlich, namentlich
in dem Ausdruck der Köpfe. Man erkennt
bei genauerem Zusehen, daß die Formen, die
jetzt mit den Farben verschmiert sind, scharf
und exakt durchgebildet waren, bei den Ge-
sichtern wurden statt der Modellierhölzer
durchaus Modelliereisen benutzt. Von außer-
ordentlicher Sorgfalt und Schärfe müßten ohne
die störende Farbe namentlich die locken-
umwallten Häupter Christi und Johannes sein.
Auch der Christuskörper ist, von der wenig
glücklichen Lage abgesehen, nicht ohne Ge-
schick durchgebildet; wenigstens wird der
Oberkörper mit dem eingefallenen Brustkasten,

8) K.D.B. I, 2224 u. Taf. 225.

der Halsmuskulatur und dem Schulter- und
Armansatz den allgemeinen anatomischen
Forderungen gerecht. Jedenfalls ist das Relief
das Werk eines tüchtigen Tonbildners, und
ich glaube nicht irre zu gehen, wenn ich es
dem Meister der großen Tongruppe der Pieta
im Bayerischen Nationalmuseum zuschreibe,
die vor einigen Jahren in Freising erworben
wurde. Der Thorax und das Haupt Christi
und auch der etwas bäuerliche Gesichtstypus
der Maria decken sich bei beiden Werken
durchaus, und ebenso besteht in den etwas
harten Falten die größte Ähnlichkeit. Nur
dürfte die Münchener Pieta um einige Jahre
älter sein.

Selbstredend kann es sich bei dem Neu-
markter Relief nicht um ein Werk aus einem
Stück handeln. Offenbar ist es aus mehreren
Teilen zusammengesetzt und mit Mörtel zu-
sammen modelliert. Der Anstrich verdeckt
die Ansätze.

Bildwerke aus buntglasiertem Ton kennt
Oberbayern nicht vor der Mitte des XVI. Jahrh.
Das älteste ist an der südlichen Außenwand
des Chors der Rupertuspfarrkirche in Amerang
im Bez.-Amt Wasserburg angebracht9). (Abb. 2.)
Die Maße betragen 0,85 m in der Höhe, 0,58 m
in der Breite. Das Hauptfeld gibt eine Dar-
stellung des Kruzifixus, zu dessen Seiten der
Stifter mit seinen drei Frauen und vier Kindern
knien. Die Figürchen sind in Hochrelief ge-
halten, das Christusbild, das vollrund gearbeitet,
jedoch zugrunde gegangen war, ist in neuerer
Zeit durch eine zu kleine Figur ersetzt worden.
Die Stadtansicht im Hintergrund ist in Kobalt
dürftig gezeichnet. In der Schräge des Rahmens
liest man: ,,Peller Linner und Elspel sein
havsfrav 1553 machen dise figvr got zv lob".
Ein halbrunder Giebel mit einer reliefierten
Halbfigur Gott Vaters und der Taube des
heiligen Geistes krönt das Hauptbild. Am
Rande des Bogenfeldes steht: ,,Das ist mein
allerliebster Sun ßes)ü"'. Das Werk ist plastisch
betrachtet, keine hervorragende Leistung; die
Modellierung ist dürftig und flau und überdies
durch die dicke Schmelzglasur stark ver-
schwommen. Trotzdem macht das Ganze
durch die kräftigen leuchtenden Farben, Weiß,
Blau, Gelb, Violett und Grün eine gute und
starke Wirkung. Die dicken und zum Teil
verflossenen Schmelzen machen den Eindruck,

9) K. D. B. I, 1914.
 
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