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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Halm, Philipp Maria: Oberbayerische Tonreliefs
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0088

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119

1910.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

120

als habe der Fertiger hier einen ersten Ver-
such gewagt. Die beiden Bildfelder und die
einzelnen Rahmenteile sind für sich gearbeitet
und mit Mörtel zusammengefügt. Glücklicher-
weise trägt das Werk wenigstens das Mono-
gramm seines Schöpfers M K, am untern
Rande des Rahmens.

Schon Stegmann10) hat dieses Relief in
Zusammenhang gebracht mit einem ähnlichen
Epitaph von bunt glasiertem Ton aus dem
Jahre 1554, welches das Germanische Museum
im Jahre 1898 erworben hat und das aus der
unmittelbarer Nähe Amerangs, aus Wasserburg
am Inn stammt, wo es 1879 gelegentlich der
Restauration der Pfarrkirche entfernt wurde.
(Abb. 3.) Es besteht für mich kein Zweifel,
daß dieses Relief von der gleichen Hand wie
jenes stammt, wenngleich es von entschieden
höherer Qualität ist. Aus den Mißerfolgen
des ersten Stückes hat eben der Meister zu
lernen gewußt.

Statt eines nüchternen Rahmens wählte er
einen ädikulaartigen Aufbau, den er oben durch
einen Rollwerkgiebel mit einem Wappentondo
abschließt. Dem Reliefbilde des Hauptfeldes
legte er zum Teil Dürers großen Holzschnitt
der Dreifaltigkeit von 1511 (B. 122) zugrunde,
indem er die Komposition im Gegensinne
verwendete und den Leichnam Christi im Sinne
der älteren Darstellungen des „Gnadenstuhls"
in einen Kruzifixus umwandelte. „Die Figuren
sind derb in den Gesichtszügen und stark-
knochig sogar in den um Gottvater gruppierten
Engeln mit den Leidenswerkzeugen und von
frischer naiver Auffassung, die an den Charakter
der Bevölkerung der kräftigen Oberbayern
gemahnt, in deren Mitte das Denkmal ent-
stand". Gegenüber der Ameranger Kreuzigung
ist die Modellierung sorgfältiger und der Auf-
trag der Schmelzglasuren exakter und weniger
dick, so daß die plastischen Formen besser
gewahrt blieben. Die Umschrift des Doppel-
wappens im Giebelfeld nennt einen „Rueprecht
Heller", der 1571 — 1585 als „Stat- und Land-
richter zu Wasserburg erwähnt wird11). Leider
fehlt diesem Werke ein Meisterzeichen; trotz-
dem zögere ich nicht, wie schon gesagt, aus
stilistischen Gründen ihn mit dem Meister M K
des Amerangers Epitaphs zu identifizieren.

w) Mitteilungen aus dem Germaniseben National-
museum 1908. S. 1.

») Oberbayerisches Archiv XIX, (1858—1859)
S. 293.

Diesen beiden Tonbildwerken möchte ich
noch einen buntglasierten Wandbrunnen im
Bayerischen Nationalmuseum anreihen, der in
einer einfachen architektonischen Umrahmung
in einer flachen Nische die bekannte Rühr-
szene von Pyramus und Thisbe darstellt. Die
Reliefs sind ohne Feinheit, der Auftrag der
Glasur dick, die Farben im Brand stark ver-
flossen, ganz ähnlich wie bei dem Relief von
Amerang. Die in Blau aufgemalten Pilaster-
füllungen erinnern sehr an das Epitaph aus
Wasserburg.

Hier mögen der Vollständigkeit halber
noch ein paar weitere glasierte Reliefs der
Zeit und Gegend Erwähnung finden, eine
grünglasierte Kreuzigung in Ramerberg12),
eine rechte und schlechte Kachelbäckerarbeit
des XVI. Jahrh. und ein buntglasiertes Relief
der Kreuzigung mit Maria und Johannes von
1590 (Höhe 0,35 m, Breite 0,27 tri) im Kreuz-'
gang des ehemaligen Klosters Raitenhaslachls),
eine einfache aber namentlich farbig recht
wirkungsvolle Arbeit.

Der Gruppe der buntglasierten Epitaphien
des Meisters M& reihen wir eine andere Gruppe
an, die, obwohl sie grundverschiedenen künst-
lerischen Absichten huldigt, dennoch in direk-
tem Zusammenhang mit jener zu stehen scheint.
Die Werke dieser Gruppe gehören zum größten
Teile dem Bezirksamt Rosenheim an, also der
unmittelbar an den Amtsbezirk Wasserburg
Inn aufwärts angrenzenden Gegend. Es sind
mit einfachen Profilrahmen umzogene, un-
glasierte und unbemalte ziemlich hellgebrannte
Tonplatten in der Höhe von zirka 0,8 m und
in der Breite von 0,6 m. Die Maße differieren
untereinander um wenige Zentimeter, teils in-
folge der Rahmenbreite, teils auch infolge
größerer oder geringerer Schwindung der Maße
im Brand. Im übrigen aber stimmen diese
Reliefs vollkommen überein, denn sie sind
keine frei modellierten Bildwerke, sondern
kommen alle aus einer und derselben Form.
Dargestellt ist die Kreuzigung Christi (Abb. 4),
und zwar in sehr mäßigem Relief. Vor einem
Hintergrunde mit der Stadt Jerusalem ragen
aus dichter Volksmenge die drei hohen Kreuze.
Zur linken Seite ist Maria, vom Schmerz über-
wältigt, ohnmächtig zu Boden gesunken. Joseph
und eine der Frauen sind um die Erschöpfte

>2) K. D. B. I, 2025.
") K. D. B. I. 2620.
 
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