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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Nachrichten / Bücherschau
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127

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

128

Bücherschau.

Lehrbuch der christlichen Kunstgeschichte
von Beda Kleinschmidt O. F. M. Mit Titel-
bild und 308 Abbildungen im Text. Wissenschaft-
liche Handbibliothek, dritte Reihe VII. Paderborn,
F. Schöningh 1910. (Peis 10.—.)
Beda Kleinschmidt ist in Kunsthistoriker-Kreisen
kein unbekannter Mann, und man darf ihm nach seinen
vielseitigen Studien auf unserem Arbeitsgebiete Ver-
trauen schenken. Ein Handbuch der christlichen Kunst-
geschichte schreiben wollen heißt einen überaus kühnen
"Wurf tun; das Gebiet ist unglaublich weitschichtig, viel-
seitig, spröde zum Teil und nicht einmal genügend be-
ackert, und mit einem gewissen Angstgefühl geht man
an die Verarbeitung eines Werkes, das den kühnen
Titel „christliche Kunstgeschichte" an der Stirn trägt.
Fleißige, bienenfleißige Mönchsarbeit liegt vor uns in
Bedas Buch, ein Buch, das alte klösterliche Kunstliebe
und Kunstsinn atmet, und das empfiehlt von vornherein.
Die schwerste Arbeit muß die gewesen sein, den
zahlreichen Abschnitten des Werkes eine gleichmäßige
Behandlung zuteil werden zu lassen, bei einzelnen vor
allem die knappe präzise Form zu finden. Dem Ver-
fasser ist das gelungen, wenigstens was den Umfang
der Besprechungen angeht. Auf einige wenige Seiten
drängt sich die Frucht der Kleinarbeit vieler Gelehrter
übersichtlich zusammen zu einem leicht verständlichen
Kompendium und nur wenige der Leser des Buches
werden ahnen, wie mühevoll solche Sammelarbeit war.
Absoluteste Gerechtigkeit läßt P. Beda den einzelnen
Stilperioden wie den hundert Gegenständen zuteil
werden; er steht im Material, sondert und gruppiert
es und stellt alles als liebe Kinder gleichberechtigt
nebeneinander, und so kommt gewissermaßen eine große
Familie zusammen, die der Kirchenkunst. Daß dabei
einzelne Stilperioden mit Rücksicht auf ihre Bedeutung
besonders liebe Behandlung erfahren, ist ja selbstver-
ständlich, Heimatliebe wie persönliches Interesse werden
und sollen stets den Schriftsteller beeinflussen, wenn
nicht gar befruchten. Aber P. Beda steht ganz und
gar über seinem Material, und nur dadurch wurde es
ihm möglich, die großen, tiefen Zusammenhänge zwischen
den einzelnen Stilperioden zu finden. Dazu tritt bei
ihm eine nicht zu unterschätzende Kenntnis der Tech-
niken, die so oft ein gewichtiges Wort in der mittel-
alterlichen Kunstgeschichte mitgesprochen haben. So
wandert Beda als ein wohl unterrichteter, anregender
Führer mit uns nach Nord und Süd durch alle Jahr-
hunderle und zeigt uns in klarer Sprache, wie das
Lieblingskind Gottes und der Kirche, die christliche
Kunst, neben und mit der großen Weltkultur läuft.
Einige Kapitel sind in ihrer schlichten Einfachheit
direkt stimmungsvoll und Glanzleistungen. Die kurz-
gefaßte Kunstarchäologie hat der Verfasser meines Er-
achtens zu leichtsinnig den interessierten Kreisen über-
geben, er hätte ein neues Buch daraus machen sollen,
sein Abriß ist so trefflich, daß es schade ist, ihn so in
dem knappen, schmächtigen Gerippe in die Druckerei
zu geben. Wie präzise sind da einzelne Kapitel, wie
beispielsweise über die Geschichte des Kelches, gegeben!
Nur müßte eine umfassendere Darstellung mehr noch
aus dem reichen Schatze der mittelalterlichen Liturgie
schöpfen.

Bedas starke Seiten erkennt nan überall heraus,
sie liegen wohl besonders auf dem Gebiete der Klein-
kunst; dort leinen wir denn auch auf Schritt und Tritt
direkt Neues von ihm. Dagegen bietet die Geschichte
der Archi ektur mancherlei Lücken und Schwächen,
vorerst in der älteren Zeit. Bei solchen Besprechungen
sollte man immer wieder die Seele der jeweiligen Jahr-
hunderte belauschen, aus der die Linien emporsteigen
wie Weihrauchwoiken, Linien in der Architektur wie
Plastik und Malerei, straffe Linien der Architektur,
krause, übermütige in den anderen Künsten. Aber
vielleicht dachte Beda auch an einen breiteren Leser-
kreis, der ihm rieht hätte folgen können auf einer
Forschungsreise in dieses Wunderland, in dem alles
am starren Steinbau, im Gemälde, in der Heiligenfigur
am Pfeilerschaft zu leben und sich zu bewegen be-
ginnt, um Zeitanschauungen und Seelenstimmungen uns
zu schildern aus Jahrhunderten, die so weit hinter uns
liegen. Aber soll das denn noch immer für weitere
Kreise, vor allem für den Klerus ein Märchen-, ein
Dornröschenreich bleiben ?

In Einzelheiten bin ich hie und da mit Beda nicht
ganz einverstanden. So mit der Erklärung der alt-
christlichen Confessio, die fast durchweg über der alten
„Forma", dem Bodengrab, nicht aber über dem'
Wandgrab entstanden ist. Von einer Erklärung, wie
der Verfasser sie gibt, kann eigentlich nur bei der
Hypogaeen-Anlage die Rede sein, wie wir sie im alten
Petrusgrabe vor uns haben. Für die runde Gestaltung
der altchristlichen Taufkirche einen idealen Grund
suchen wollen, geht zu weit; die Vorlage für sie war
das römische Kleinbad, das vielfach einfachhin über-
nommen wurde als Taufkirche, weil es sein Caldarium,
seine Heizanlage hatte, wie sie heute noch in S. Giovanni
im Lateran unter dem Fußboden erhalten ist. Beider
Geschichte des Altares möchte man einige Hinweise
auf die Vorbedingungen jeweiliger Änderungen im
Aufbau wünschen, Hinweise auf liturgische Bedürfnisse,
auf Änderungen in den Beleuchtungsverhäitnissen
zwischen der romanischen und gotischen Periode usf.
Die Ansicht Bedas, die Schnitzerschule von Calcar und
Xanten habe ausnahmsweise ihre Arbeiten nicht poly-
chromiert, kann ich unter keiner Bedingung zu der
meinigen machen; die Ausgabenregister erweisen, daß
man nur mit Rücksicht auf die enorm hohen Kosten
die Polychromie aufscho b; das Prunkstück, der be-
kannte Antoniusaltar, ist sogar aufs reichste in Faß-
malerei behandelt. Die Illustrationen des Handbuches
genügen im allgemeinen, könnten zum Teil aber besser
sein; jedenfalls müßten so ganz charakterlose, barocki-
sierende Ornamentstreifen wie Seite 102 aus einer
Kunstgeschichte verbannt sein, da sie in ihrer flauen,
mißverstandenen Auffassung direkt irreführen.

P. Beda danken wir aufrichtig für sein Buch, es
ist des Altmeisters würdig, dem es gewidmet worden.
Das Handbuch sollte vor allem bei dem Klerus Haus-
freund werden, dem es Lese- und Nachschlagebuch zu-
gleich sein könnte. Wir haben ja kaum ein ähnliches
Werk, das so allgemein unterrichtet wie dieses, und
es ist schon gut, wenn Handbücher wie die von
Jakob und Lübke allmählich ersetzt werden.

Köln. Fritz Witte.


 
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