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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Witte, Fritz: Thuribulum und Navicula in ihrer geschichtlichen Entwickelung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0103

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141

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

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Gräbern gefunden wurden16). Damit soll
nicht behauptet sein, daß eine andere Deutung
der Taubenfigur in diesem Falle nicht möglich
wäre. Augustinus, dem wir gewiß mit in erster
Linie die Kenntnis nordafrikanisch-koptischer
Symbolik zutrauen dürfen, bedient sich in
seinen antidonatistischen Schriften des öfteren
des Ausdruckes „ad columbam pertinere", zur
Taube gehören, wo es kaum zweifelhaft sein
kann, daß er die Zugehörigkeit zur Kirche
ausdrücken will. Wie aber beim Rauchfaß
dieser Gedanke Gestalt gewonnen haben sollte,
ist mir nicht klar.
Näher liegt ganz
gewiß der Hinweis
aufdenTotenvogel,
schon im Hinblick
auf die verblüffende
Übereinstimmung
christlicher Gebets-
formeln speziell mit
alt - babylonischen
Exorzismen bei der
Benediktion des
Weihrauches für
den Totenkult, auf
die wir hier natür-
lich nicht näher ein-
gehen können ,6).
In den Kirchen,
das sagen uns die
literarischen Quel-
len, brannten die
Weihrauchbehälter
an der Confessio,
am Grabe der
Heiligen. Daß aber
auch beim Meß-
opfer der Weihrauch Verwendung fand, geht

16) VergL die Darstellung auf den Grabstelen im
Kaiser-Friedrich-Museum; Führer durch die königlichen
Musseen zu Berlin — das Kaiser - Fi iedrich-Mu'eum

4. Aufl. S. 29 f.

ls) Näheres darüber bei AI fr. Jeremias, »Das
Alte Testament im Lichte des alten Orientes« (Leipzig
1906) S. 586, und De Ia Saussage, »Lehrbuch der
Religionsgeschichte« (Tüb. 1905).

Auf einer Kolumne der Bibliothek Assurbanipals
heißt es: ... »Sodann bringe an ihn (den Toten)
heran Räucherfaß und Fackel.« Vgl. Otto Weber,
»Die Literatur der Babylonier u. Assyrer« (Leipzigo.J.)

5. 174 ff. . '

K. Frank, »Babyl. Beschwörungsreliefs« (Leipzig
1908) S. 27 ff., wo ausdrücklich, wie im mozarabischen
Ritus, von den bösen Geistern „la-pit mituti" = „um-
kehrend die Toten" gesprochen wird.

Abb. Via.

klar und deutlich vor allem aus dem Liber
pontificalis hervor. Papst Sergius I. (t 701)
stiftete drei schwere goldene Weihrauchbehälter,
die mit Säulchen verziert und mit Deckeln ver-
sehen waren, vor die drei Bilder des Apostels
Petrus, damit sie dort an Festtagen während des
Hauptgottesdienstes brennen sollten17).

Die Frage nach dem Material, aus dem
die ältesten Weihrauchgefäße gefertigt wurden,
beantwortet sich eigentlich von selbst. Daß
die uns erhaltenen fast alle aus Bronze oder
Eisen hergestellt sind, beweist keineswegs, daß

Edelmetall ausge-
schlossen war. Kost-
barkeit des Mate-
riales wie größere

Vergänglichkeit
waren die Bedin-
gungen des Unter-
ganges der wert-
vollen Stücke, die
uns im Papstbuche
und bei vielen
Schriftstellern ge-
nannt werden.
Immerhin waren
die Rauchgefäße
auch liturgische
Gebrauchsgegen-
stände untergeord-
neten Ranges, und
man wird nur in
reicheren Kirchen
und bei Stiftungen
der Großen an
Edelmetall denken
dürfen. Weiteren
Schmuck als in
Relief, Gravierung und Edelsteinbesatz, wie er
im Papstbuche des öfteren genannt wird,
haben die Kirchen des lateinischen Ritus den
Gefäßen wohl nicht gegeben. Alte Elfenbein-
schnitzereien byzantinischer Herkunft zeigen
uns aber Thuribula, die unten mit Schellen
behängt sind, genau so, wie der griechische
Ritus sie heute noch im Gebrauch hat18).

Wenn wir das Fazit ziehen wollen aus dem
bislang herangezogenen Material, so dürfen
wir wohl die eine Tatsache festlegen, daß sich
das Thuribulum als schwenkbares Räucher-

Abb. vi b.

17) Beissel a. a. O. S. 314 f. »Liber pont.«
I 174 ff., 233, 237.

!8) Zwei Elfenbeintafeln im Museum zu Berlin.
 
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