Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

DOI Artikel:
Schmid, Andreas: Pflege der kirchlichen Kunst in den Priesterseminarien, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0125

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
175

lgiO. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

176

lischen Stuhles gegeben hat. Diese Kunst-
werke sind sozusagen eine monumentale
Theologie, ein Kult in Stein, Holz, Metall
oder anderer Materie.

2. Gründe für die Pflege der kirch-
lichen Kunst.

Der Hauptgrund, welcher den katholischen
Priester zum Studium der kirchlichen Kunst
zwingt, ist das hl. Meßopfer, indem es
als gottmenschliches Opfer gotteswürdigen
Schmuck erfordert.

Solange Christus sein verborgenes Leben
in Nazareth führte, stand er unter dem
Schutze seiner jungfräulichen Mutter und
seines Pflegevaters Joseph; verborgen unter
den Gestalten von Brot und Wein vertraut
er sich den Händen und der Pflege des
Priesters an. Soll er unter dieser Obhut keine
Sorgfalt verdienen ? Wer katholischer Priester
sein will, muß das hl. Meßopfer als den
Höhepunkt alles Gottesdienstes ansehen und
darf es ohne Entwürdigung nicht von der
kirchlichen Kunst trennen; denn ohne Kunst
ist die Religion schmuck- und formlos, und
die Kunst sinkt ohne Religion zur Natur herab.

Catharina Emmerich schildert die Leiden
Christi am Ölberge und bemerkt: „Mit
Schrecken sah ich, daß selbst viele Priester
hohen und niedern Ranges, ja selbst solche,
die sich für gläubig und fromm hielten, zur
Mißhandlung Jesu im heiligsten Sakramente
beitrugen. Ich will von den vielen, die ich
so unglücklich sah, nur eine Art erwähnen.
Ich sah da sehr viele, welche die Gegenwart
des lebendigen Gottes im allerheiligsten Sakra-
mente glaubten, anbeteten und lehrten, sich
dieselbe aber doch nicht besonders angelegen
sein ließen; denn den Palast, den Thron, das
Gezelt, den Sitz und königlichen Schmuck
des Königs Himmels und der Erde, nämlich
die Kirche, den Altar, den Tabernakel, den
Kelch, die Monstranz des lebendigen Gottes
und alle Gefäße, Geräte, Zierden, Festge-
wande und allen Schmuck und Dienst seines
Hauses ließen sie ohne Pflege und Sorgfalt,
alles war schmählich in Staub, Rost, Moder
und vieljährigem Unrat verkommen und ver-
fallen, und der Dienst des lebendigen Gottes
ward nachlässig hingeschleudert, und wo nicht
innerlich entweiht, doch äußerlich entwürdigt.
Alles dieses aber war nie Folge der wirklichen
Armut, sondern immer nur Folge der Gefühl-

losigkeit, der Trägheit, des Schlendrians, der
Hinwendung zu eitlen, weltlichen Neben-
sachen, oft auch der Selbstsucht und des
inneren Todes; denn auch in wohlhabenden
oder genughabenden Kirchen sah ich solche
Vernachlässigung; ja ich sah viele, in welchen
abgeschmackte, fratzenhafte Weltpracht die
herrlichsten und ehrwürdigsten Zierden fröm-
merer Zeit hinausgedrängt hatte, um mit ge-
färbtem, verlegenem Spektakel die Verschleude-
rung zu überschminken"1).

Wie der Kult als höchsten Zweck Gottes
Ehre anstrebt und erst in zweiter Reihe das
Heil der Menschen berücksichtigt, so hat auch
die kirchliche Kunst vor allem die Verherr-
lichung Gottes zu suchen, sodann aber auch
den Gläubigen dienlich zu sein.

Das Studium der kirchlichen Kunst wird
daher für den Theologen zu einem wichtigen
Gegenstand, weil es den Sinn für die Schön-
heit des katholischen Gottesdienstes und das
Verständnis desselben fördert. Wer kein Ver-
ständnis für Kunst hat, fühlt auch nicht, wie
im katholischen Kulte alle Künste zum Lobe
Gottes und zur Erbauung der* Gläubigen ver-
bunden sind; er wird daher auch weniger
Gewicht auf die Gesamtwirkung aller Künste
zum Kulte legen und dadurch den Sinn für
die Wichtigkeit des kirchlichen Lebens nicht
in wünschenswertem Maße besitzen. Die
Folgen davon sind, daß auch in den Pfarr-
kindern der Kunstsinn unentwickelt bleibt und
der Besuch des Gottesdienstes leidet.

Soll ein künftiger Priester im Seminare
eine vollständige Bildung erhalten und in das
Verständnis des ganzen Kultes eingeführt
werden, so reichen bloß rubrizistische
Übungen und liturgische Vorlesungen nicht aus,
solange nicht auch die musikalischen und
künstlerischen Formen des Kultes erklärt
werden. Ohne diese Kenntnisse ist ein
Priester kein ganzer Priester, weil er einen
Teil der gottesdienstlichen Formen wie ein
verschlossenes Buch vor sich sieht. Der
Liturgiker erhält von der bildenden Kunst
vielfältiges Licht und umgekehrt auch die
Kunst, z. B. bei Erklärung der Prophezien
am Karsamstag, der Lektionen in den Scruti-
niumsmessen der Fastenzeit.

Dieses allseitige Erfassen des katholischen
Kultes aber hat den weiteren Vorteil, daß der

]) Catharina Emmerich, bittere Leiden Jesu Christi
von Wiggermann (Regensburg 1894) S. 80.
 
Annotationen