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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Schmid, Andreas: Pflege der kirchlichen Kunst in den Priesterseminarien, [1]
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177

1910.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6-

178

Priester mit dem tiefern Verständnis auch
größere Liebe und Begeisterung zur Feier
des Gottesdienstes erhält, weil die Großartig-
keit des katholischen Kultes mächtig auf das
Gemüt wirkt und dazu dient, auch dem
Volke den Besuch des Gottesdienstes lieb zu
machen.

Solange daher der katholische Kult auch
die plastischen Künste auf so umfassende
Weise in seine Dienste zieht, ist eine künstle-
rische Ausbildung der künftigen Priester ge-
boten. Weniger ist dieses erforderlich für den
protestantischen Theologen, weil der pro-
testantische Kult die bildenden Künste mehr
ferne hält.

Die Pflege der kirchlichen Kunst hat aber
nicht bloß eine gottesdienstliche Seite, wie
man aus dem bisher Gesagten schließen
könnte, sondern auch eine weittragende
moralische und ästhetische.

Wie sehr ist es nicht zu beklagen, daß die
profane Kunst oft so wenig die Ideale des
Geistes pflegt und einem verderblichen
Fleischeskult huldigt! Wer kann den sitt-
lichen Schaden berechnen, welchen eine ein-
zige sog. Kunstausstellung in dieser Beziehung
anrichten kann!

Wie soll in diesem Betreff nun eine Um-
kehr stattfinden, wenn selbst die Geistlichkeit
von der hohen Aufgabe der Kunst kein Ver-
ständnis mehr hat und bei Bestellung religiöser
Kunstwerke jene Männer nicht mehr findet,
welche Religion und Mut genug haben, um
der Kirche ihre Kräfte zu weihen? „Wenn
das Salz seine Kraft verliert, womit soll man
denn salzen2)?" Ein geläuterter Kunstsinn
des Priesters wirkt aber nicht bloß belehrend
und erhebend in der Kirche, sondern auch
in der christlichen Familie und in der Schule
durch Verbreitung guter Bilder, Erklärung des
Kirchengebäudes, der Einrichtungsgegenstände,
Paramente, Symbole usf. Er wirkt insbesondere
auf die Künstler und die Kunst selbst, weil
die Künstler bei kirchlichen Kunstwerken die
Gedanken von der Geistlichkeit erhalten und
von dieser Seite Bestellungen hoffen. Wohl
kann die kirchliche Kunst durch Belehrung
in öffentlichen Vorträgen und durch Vereine
gefördert werden, mehr noch aber von Seite
der Geistlichkeit durch entsprechend bezahlte
Aufträge an befähigte Künstler. Diese Auf-

2) Matth. 5, 13.

träge setzen Sach- und Personenkenntnis vor-
aus und diese müssen errungen werden. Will
man also eine Reform der kirchlichen Kunst, so
setze man die Hebel in den Priesterseminarien
an und dringe darauf, daß an den Kunst-
akademien, auf polytechnischen Schulen und
auf Universitäten die Architekten, Künstler
und Juristen, welche bei Kirchenbauten und
Restaurationen ein Wort mitreden wollen,
wirklich Gelegenheit haben und angehalten
werden, kirchliche Kunst zu studieren.

Die kirchliche Kunst soll in den Priester-
seminarien auch gepflegt werden, weil der
Priester Kenntnisse in diesem Fache not-
wendig hat, um alsVorstand der Kirche
seinen Verpflichtungen nachzukommen. Eine
einfache Kirche kostet schon enorme Summen.
Verdient ein solch kostspieliges Gebäude nicht
den verständnisvollen Schutz von Seite seines
Vorstandes, welcher bei Empfang der hl. Weihe
des Ostiariats die Pflicht auf sich genommen
hat, dafür zu sorgen, daß nichts an Kirche
und Sakristei „zugrunde gehe?"

Man hört wohl bisweilen einwenden, die
staatlichen Baubehörden und die Künstler
sorgten für die kirchliche Kunst. Ist mit
dieser Fürsorge aber der Kirche in jeder Be-
ziehung gedient? Auf den Kunstakademien
und polytechnischen Schulen erlernen die
Künstler und künftigen Baubeamten oft alles
andere, nur nicht kirchliche Kunst, und trotz-
dem sollen und wollen sie maßgebend für
dieselbe sein, mag ihnen auch das Verständnis
für die kirchlichen Kunstformen und noch
mehr das Verständnis für die liturgische Ver-
wertung derselben abgehen. Wo studieren
Juristen Kunst, wo gar kirchliche Kunst? und
doch „vor allen Dingen sollte der Jurist klar
darüber sein, daß die Kunst einen wichtigen
Faktor unseres Nationalwohlstandes bildet"3).

Was hilft aller Unterricht in der kirch-
lichen Kunst in Priesterseminarien, wenn im
praktischen Leben von Seite der kirchlichen
und weltlichen Oberbehörden unkorrekte Pläne
gutgeheißen oder sogar bevorzugt werden ?

Will man nun, daß die Geistlichen in der
kirchlichen Kunst Kenntnisse besitzen, so ge-
nügt es nicht, bloß den Mangel zu beklagen,
ohne dafür zu sorgen, daß der künftige Klerus
sich diese Kenntnisse verschaffen könne und

8) Dr. K. Lange, «Künstlerische Erziehung der
deutschen Jugend» (Darmstadt 1893) S. 201.
 
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