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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Schmid, Andreas: Pflege der kirchlichen Kunst in den Priesterseminarien, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0128

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181

lgl0. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

182

Um diesen innern Gründen noch äußere
Belegstellen beizufügen, welche von den Priestern
Kenntnisse der kirchlichen Kunst verlangen
so verweisen wir auf das Tridentinum6).

Dieses Konzil befiehlt in den Seminarien
Unterricht im Gesang, Kirchenkalender und
anderen schönen Künsten. Unter diesen
„schönen Künsten" ist nach dem antiken und
mittelalterlichen Schulplane auch die Musik
zu rechnen; aber sicherlich ist die plastische
Kunst nicht ausgeschlossen. Deutlicher sprechen
sich neuere Konzilien aus, z.- B. verlangt das
Konzil von Bordeaux 1850, daß die Alumnen
in den Elementen der christlichen Archäologie
unterrichtet werden6).

Zehn Jahre später verordnet die Prager
Synode: „Wir wünschen sehr, daß der Pfarrer
und überhaupt alle Priester sich gründliche
Kenntnisse der kirchlichen Altertumskunde und
ein feines Urteil über Prinzipien und Leistungen
der christlichen Kurist sich zu eigen machen,
damit nicht bei Abgang gehörigen Wissens
durch ihr unrichtiges Urteil das, was bleiben
soll, beseitigt und das, was beseitigt werden
soll, beibehalten werde und das, was vielleicht
mit vielem Aufwände restauriert ward, nicht
als eine Herstellung, sondern als Entstellung
erscheine7)." Alumnen sollen sich daher „außer
genauer Kenntnis der Liturgie auch die Kennt-
nis der Archäologie aneignen"8).

„Wer anders aber sind für die christliche
Kunst die berufenen Erklärer, Förderer und
Verteidiger als die Geistlichen? Wie aber
kann ein solcher Förderer der Kunst sein,
wenn er von der Entwicklung der christlichen
Kunst, wie sie uns durch die Tradition im
Zusammenhange mit der dogmatischen und
historischen Entwicklung der Kirche über-
kommen ist, keine Ahnung hat9)?" Wie kann
er die seit apostolischer Zeit mehr oder
weniger übliche symbolische Auffassung wür-
digen, wenn er kein ausgebildeter Litur-
giker ist?

Selbstverständlich fehlt es auch nicht an
Mahnungen von Künstlern und Theologen,
das Studium der kirchlichen Kunst in den
Priesterseminarien zu pflegen. Wir wollen nur

?) s. 23 cap. 18.

6) Coli. Lac. IV. 595.

7) Beschlüsse des Provinzialkonzils von Prag 1860
(Prag 1864) S. 195.

8) a. a. O. S. 34.

9) Franklurter Broschüren 1894, 2 S. 55.

ein paar Beispiele anführen. Schon vor
100 Jahren schrieb Professor Dietl in Lands-
hut: „In eben dem Maße, in welchem das
Schönheitsgefühl entwickelt und gepflegt wird,
muß notwendig auch das moralische Gefühl
entwickelt und gepflegt werden10)." Mögen
diese Worte auch etwas übertiieben lauten,
so ist doch nicht zu leugnen, daß sie ein
Körnchen Wahrheit enthalten. Nach Reichen-
sperger sollte „in jedem Seminare und Dom-
kapitel wenigstens e i n Priester angestellt
werden, welcher eine gründliche Kenntnis der
christlichen Kunst in ihren verschiedenen Ver-
zweigungen besitzt, sowie daß in den erst-
gedachten Anstalten diese Kunst zu einem
besonderen Lehrgegenstand erhoben werde11)."
Ein anderer klagt: „Was leider in den Semi-
narien meistens fehlt oder doch nur mangel-
haft geleistet wird, sind Vorlesungen über
Ästhetik, kirchliche Kunst12)."

Abbe" Hetsch aus Biberach in Württemberg
leitete ein Knabenseminar in Orleans und
hatte den „ästhetischen Unterricht eingeführt
und keine Gelegenheit versäumt, um den
Gesichtskreis seiner Schüler in dieser Hin-
sicht zu erweitern18)". Auch der edle 0ver-
beck urteilt: „Gewiß ist es von weitaus-
sehender Wichtigkeit, daß der Klerus zu einer
richtigen Würdigung der Kunst heran-
gebildet werde und dadurch wieder befähigt,
wie es ihm von Rechts wegen zusteht, über
alles, was von Kunst ins Sanktuarium ein-
geht, richterlich zu urteilen; und ich wüßte
nichts, was so sehr des Schweißes der
Besten würdig wäre, als eben dieses herbei-
zuführen14)."

Noch eine Stimme sei angeführt: „Zu
wöchentlich einmaligen Vorlesungen über kirch-
liche Kunstgeschichte könnten alle Theologen
leicht verhalten werden, wo freilich nicht nur
allein auf die Werke der größten Künstler,
sondern auch auf das Kunsthandwerk hin-
gewiesen werden sollte, damit der Priester in
der Seelsorge dasselbe hoch zu schätzen weiß15)."

10) G. A. Dietl, «Antrittsworte» (Landshut 1801)
S. 45.

n) Reichensperger, Augus t, «Christliche ger-
manische Baukunst» (Trier 1860) 3. Aufl. S. 113.

12) Der katholische Seelsorger, geschildert von einem
emeritierten Pfarrer (Regensburg 1881), S. 15.

13) Hetsch, Albert (Freiburg 1886), S. 415.
M) Howitt, M., «Friedrich Overbeck». Heraus-
gegeben von Franz Binder (Freiburg 1886), IL S. 348.
. lä) «Kunstfreund» (Bozen 1890) S. 2.
 
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