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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Schmid, Andreas: Pflege der kirchlichen Kunst in den Priesterseminarien, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0129

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183

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST _ Nr. 6.

184

3. Gegenstand und Dozent der kirch-
lichen Kunst.
Damit man die geäußerte Forderung nicht
für überspannt halte, so sei bemerkt, daß es
nicht im Zwecke des Priesterseminars liege,
die Kenntnis der gesamten Kunstgeschichte
zu vermitteln oder Künstler oder Kunstgelehrte
heranzubilden; denn die profanen Kunstwerke
liegen dem Berufe eines Priesters mehr ferne
und für das seelsorgerliche Wirken wäre wenig
gewonnen, wenn auch der Geistliche in den
Gemäldegalerien Europas alle Namen be-
kannter und unbekannter Maler wüßte, aber
die Bilder nicht vom christlichen Standpunkte
aus beurteilen könnte. Viel wichtiger ist für
einen Priester Kenntnis der ästhetisch-
liturgischen Grundsätze, nach denen er
ein vorhandenes Bildwerk, Gemälde oder
Kunsthandwerk beurteilen soll, sowie Kennt-
nis der einzelnen Baustile, Paramente usf., um
bei Bestellungen oder Restaurationen nicht
Fehlgriffe zu machen. Besonderes Augenmerk
verdient auch die kirchliche Symbolik, die
uns sozusagen ganz fremd geworden ist, weil
sie uns nur im Zusammenhang mit der Kult-
symbolik verständlich ist und die liturgischen
Studien immer noch zu wenig beachtet werden.
Während es Dogma ist, daß in der heiligen
Schrift ein mystischer Sinn gewissen Stellen
zugrunde liege, das hl. Meßopfer unter zwei
Gestalten dargebracht wird, um symbolisch
die Trennung von Fleich und Blut zu wieder-
holen16) und aus den ersten 4 bis 5 Jahrh. mit
Leichtigkeit mehrere hundert christlicheSy mbole
gefunden werden können, eines tiefsinniger als
das andere, sieht man heutzutage alle Symbole
mit scheelen Augen an. Und doch kann ein
Priester am Altare kaum einen Schritt und kaum
eine Handbewegung machen, welche nicht
symbolischen Charakter hätte, ja er kann nicht
einmal vor der hl. Messe die Finger waschen
und die Paramente anziehen, oder sich mit
dem Kreuz bezeichnen, ohne daß er in allen
begleitenden Gebeten die herrlichsten symbo-
lischen Gedanken ausgesprochen findet. Kurz,
nicht bloß die liturgischen Worte reden,
sondern auch die liturgischen Handlungen und
Gegenstände vom Weihrauchkörnchen und
den Altarstufen, von der Inklination und der
Augenerhebung an bis zum Hahn auf dem

") Thalhofer, »Opfer«, (Regensburg 1870)
S. 229—49.

Kirchturme. Wie einfach wäre die Einteilung
des Kirchenjahres, wenn das Osterfest etwa
auf den L. April fixiert wäre und doch ist es
seit dem allgemeinen Konzil zu Nicäa 32ö
erst am Sonntag nach Frühlingsanfang und
zwar nach eingetretenem Vollmond zu feiern,
damit wir mit Christo der Sünde absterben
und mit ihm zu geistigem Leben auferstehen17).
Welch unermeßlichen Schatz symbolischer Ge-
danken enthält nicht der römische Ritus der
Karwoche, ja die Feuer- und Wasserweihe des
Karsamstags für sich allein!

Die Folgen dieser Unkenntnis sind sehr
weittragend. Nur ein Beispiel sei angeführt.
Mit dem Auftreten des Protestantismus wurden
in Deutschland die wenigsten katholischen
Kirchen farbig ausgemalt, sondern nur weiß
getüncht. Diese Tünche kann genügen, wenn
die Kirche nur ein protestantisches Gebets-
und Predigtlokal ist; aber wenn die Kirche
nach biblischer18) und mittelalterlicher Auf-
fassung19) und nach den Worten des Missale
und Breviers nichts Geringeres sein soll als
der Himmel (Paradies) auf Erden, so dürfen
die Farben mit welchen die Kirchen bis in das
XVI. Jahrh. herab geschmückt waren, nicht
fehlen. Wird die Kirche wie ein Paradies
aufgefaßt und geschmückt, so ruft selbst der
Himmel: „Sieh die Hütte Gottes bei den
Menschen20)" und die Menschenkinder finden
in der Kirche das Abbild des Himmels. Er-
scheint das Kirchengebäude-bei dieser symbo-
lischen Beleuchtung nicht in einem glänzenden
Lichte? Weiße Kirchenwände sind gedanken-
leer; farbige mit Bildern, Symbolen und In-
schriften geschmückte aber predigen. .

Die kirchliche Kunst ist nach früher Ge-
sagtem nichts anderes als die äußere Gestalt
der Kultusformen. Da nun in den letzteren
die Glaubens- und Sittenlehre, die Geschichte
der Heiligen und das Leben der Kirche sich
widerspiegeln, so bietet nur eine eingehende
theologisch-liturgische Bildung den Schlüssel
zum Verständnis der kirchlichen Kultformen
und damit zur Erfassung der kirchlichen Kunst-

") Rom. 6, 4.
«) Hebr. 9, 12.

19) Paradisus ecclesia. Melito Sared. Pitra Spicil-
S.olesm. VI. 399. Theophylus, »schedula div.
artitim« 1. III.

Sicard Orem. Mitrale. Migne »lat.« 213, pg. 20-
Durandus, »ration.«. I. 10.

20) Off. 21, 3.
 
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