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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Schmid, Andreas: Pflege der kirchlichen Kunst in den Priesterseminarien, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0130

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185

1910. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

186

formen. So wird z. B. nur derjenige, welcher
die katholische Lehre der Rechtfertigung ver-
steht, auch den richtigen Maßstab zur Beurteilung
kirchlicher Bilder haben, weil es sich um die
Frage handelt, welchen Einfluß die göttliche
Gnade nach der Lehre der Kirche auf Le i b und
Seele des Menschen hat. Weil es sich aber
in der kirchlichen Kunst nicht zunächst
um allgemein theologische Fragen handelt,
sondern um Formen des äußeren Kultes, so
ist eine gründliche, liturgische Bildung
Grundvoraussetzung für das Verständnis dieses
Kunstzweiges; denn die kirchlichen Kunst-
werke hängen sachlich und geschichtlich mit
dem Kulte zusammen und lassen sich von
den liturgischen Texten und Handlungen nicht
trennen. Solange nur Gott und Heilige des
Himmels Gegenstand der gottesdienstlichen
Anbetung und Verehrung sind, müssen auch die
plastischen Formen dieses Kultes, mögen sie der
Baukunst, Bildnerei /oder Malerei angehören,
in überweltlichem Gewände, von der Kirche
bestimmtem oder überliefertem Gewände er-
scheinen.

Neben den theologischen Kenntnissen ist
aber auch ästhetisches, archäologisches und
kunstgeschichtliches Wissen sowie Erfahrung
für den betreffenden Lehrer notwendig.

Um das Studium der antiken Kunst zu
fördern, opfern die Staaten enorme Summen
für Heranbildung geeigneter Lehrkräfte durch
Gewährung von Stipendien usw. Bereits machen
sich die Bemühungen, die noch so junge
Wissenschaft der Archäologie unter dem Scheine
der Wissenschaftlichkeit konfessionell auszu-
beuten, in der Literatur geltend. Soll einer
negativen Kritik gegenüber nicht für Heran-
bildung katholischer Archäologen und Kunst-
gelehrter gesorgt werden ? Wer einen Einblick
gewinnen will in die Bestrebungen, welche
weltlicherseits für Förderung der kunsl-
geschichtlichen Kenntnisse gemacht werden,
lese außer dem schon öfters zitierten Buche
von Dr. Lange über die künstlerische Er-
ziehung der deutschen Jugend (Berlin 1891),
nur „Die Kunstgeschichte an unsern Hoch-
schulen von August Schmarsow", und er wird
die Wichtigkeit der kirchlichen Kunstarchäologie
nicht als übertrieben ansehen.

Darüber ist ein vernünftiger Zweifel nicht
möglich, daß die Priester Kenntnisse in der
kirchlichen Kunst besitzen müssen, wenn sie
ihren Verpflichtungen nachkommen wollen;
allein fraglich kann sein, ob die kirchliche
Kunst ein eigenes theologisches Lehrfach sei,
oder zu der besonderen Lehraufgabe des
Seminars gehöre. Es besteht keine Schwierig-
keit, die kirchlichen Kunstwerke z. B. Kirchen-
gebäude, Altar usf. auch außerhalb des Seminars
ästhetisch oder kunstgeschichtlich zu behandeln,
in dem Falle aber, daß der Lehrer in der
Kapelle und in der Sakristei ein geeignetes
Lehrmaterial hätte, um seine Vorlesungen
praktisch zu veranschaulichen, würden Zweck-
dienlichkeitsgründe für die Eiteilung des be-
treffenden Unterrichts im Seminare sprechen.

Für letztere Art spricht noch ein besonderer
Umstand. Die liturgischen Bücher sind näm-
lich in gewissem Sinne archäologische Kom-
pendien, da die Offizien, die Formularien oder
die äußeren Riten viel altchristliches, ja
synkretistisches Gepräge haben. Wenn nun
ein Seminarvorstand ausgerüstet mit archäo-
logischen Kenntnissen die Liturgik vorträgt, so
findet er auf dem Katheder, am Altare, im Speise-
saale zur Erklärung der archäologischen Punkte
erwünschte Gelegenheit und zieht so Liturgik,
Archäologie mit in das kirchliche Leben hinein.
Dieser Vorteil ist von unschätzbarem Werte
und läßt sich nicht durch den gelehrtesten Kunst-
professor, noch weniger durch einen Wander-
lehrer in mehrwöchentlichem Kurse erreichen.

Noch bleibt einem Seminarvorstande zur
Förderung der kirchlichen Kunst ein Mittel
zur Verfügung, welches einem Dozenten außer-
halb des Seminars fehlt, nämlich — die
Tischlesung. Kennt ein Seminarvorstand
ein Buch, von welchem er sich bei den Alumnen
Nutzen verspricht, so läßt er dasselbe mittags
und abends über Tisch lesen und weiß, daß
die Lesung auch von solchen Alumnen an-
gehört wird, welche vielleicht dem Gegen-
stande Widerwillen entgegensetzen. Zu einer
solchen Lesung eignen sich z. B. Giefers Er-
fahrungen, Reichensperger Fingerzeige, Pastor,
Aug. Reichensperger 1 — 2 Bde. 1899 usf.

Schluß folgt.)

München. Andreas Schmid.
 
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