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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Oidtmann, Heinrich: Die romanischen Glasmalereien in der Pfarrkirche St. Kunibert zu Köln
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211

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

212

gotischen Architektur, als einer Geschichte der
Malerei an". Aber die Mutter der schönen Künste
verwies das verlassene Kind an ihre Tochter,
an die Malerei zurück; letztere hinwiederum
schob es ab zur Halbschwester Kunstgewerbe,
die gleichfalls jegliche Verwandtschaft ablehnte
oder ihm allenfalls eine kühle Behandlung
zuteil werden ließ. Und doch hatte Gessert13)
— er war freilich nur „Rechtsgelehrter" — schon
zeitig eine umfassende Geschichte der Glas-
malerei veröffentlicht. Mittlerweile, seit un-
gefähr zwei Jahrzehnten, haben sich die Denk-
mäler der. Glasmalerei allmählich den Platz
in der Kunstgeschichte erobert, der ihnen
von Rechts wegen zusteht.

Die Schönheit der in Farbenwahl und
Zeichnung gleich vollendeten Glasgemälde in
St. Kunibert läßt den Verlust der fehlenden
Fenstermosaiken doppelt schwer empfinden.
Ihr Farbenspiel trägt das echt deutsche Ge-
präge der romanischen Glasmalerei, unbeeinflußt
von der gleichzeitigen Kunst unserer westlichen
Nachbarn. Zur Erzielung des einzig schönen
Farbenzaubers genügten dem Glasmaler wenige
Farbengläser, diese jedoch in verschiedenen
Stärkegraden und Abstufungen.

Mit geringen Mitteln verstand der Meister
den Gesichtern Ausdruck zu verleihen; ich
verweise auf den Kopf des am Altar stehenden
Bischofs im Klemensfenster (Abb. 7). Ungemein
flott ward hier der Pinsel gehandhabt, mit einer
Fertigkeit, wie sie nur einem erfahrenen, ge-
übten Meister, einer tüchtig geschulten Werk-
stätte eigen sein konnte. Die Fleischteile
sind gelblich gehalten, einzelne mit einem
Stich ins Bräunliche. Die kleinmosaizierten
Borten sind vollwertige Rahmen für die
schlanken Gestalten der h. Jungfrauen, die mit
würdevollem Ernst aus den breiten Rund-
bogenfenstern in die Kirche herabschauen.
Die ausgedehnten Farbenflächen der Gewänder,
durch andersfarbige Streifen belebt, die Bild-
gründe, denen mehrfarbige Streifenbündel das
Gegengewicht halten, klingen mit den zer-
bröckelten Tönen der Umrahmung zu reizvoll
abgeklärter Stimmung zusammen. Lange, breit
auffallende Leibröcke umwallen die edlen Ge-
stalten, die sich durch gefälliges Ebenmaß der
Formen auszeichnen. Blatt- und Laubwerk

la) M. A. Gessert, »Geschichte der Glasmalerei»
(Stuttgart 1839).

sind wirkungsvoll angeordnet, in günstigem
Verhältnis zum Untergrund; ungemein ab-
wechselungsreich sind die Verzierungen der
Bänder und Streifen.

Gleich sicher und bestimmt ist die Strich-
führung in den Gruppen der oberen Chor-
fenster. Die Bilder sind lebendig gedacht und
recht geschickt aufgebaut; aus der ganzen An-
lage spricht berechtigtes Selbstbewußtsein eines
auf der Höhe seiner Zeit stehenden Meisters.
In anschaulicher Schilderung weiß er auf-
einanderfolgende Vorgänge in einem Bilde zu
vereinigen. Die Zeichnung der Figuren verrät
eine staunenswerte Kenntnis des menschlichen
Körpers; Bewegungen und Gebärden, ja bis
zu einem gewissen Grade das Mienenspiel sind
der Natur in einer damals nicht gewöhnlichen
Vollendung abgelauscht, wodurch es dem
Zeichner verhältnismäßig gut gelungen ist, die
warme Teilnahme der einzelnen an der jeweiligen
Handlung verständlich zum Ausdruck zu
bringen. Auch in diesen Fenstern beherrscht
der Glasmaler das Farbenspiel mit seltener
Meisterschaft. Mit liebevoller Sorgfalt hat er
die Einzelheiten des dekorativen Beiwerks be-
handelt, ohne sich in Kleinlichkeit zu verlieren.

Der Meister der Glasgemälde von St. Kuni-
bert war eine Künstlerpersönlichkeit von her-
vorragender Begabung. Angesichts solcher
Glanzleistungen, denen in einer Geschichte
der romanischen Malerei Kölns ein bevorzugter
Platz gebührt, begreift man, daß Kölner Maler
sich im XIII. Jahrh. großen Ruf erworben
hatten, der weit über die Grenzen des Rhein-
lands hinausgedrungen war, so daß Wolfram
von Eschenbach in seinem Parzival die „schil-
taere" von Köln als Meister der Malerei
anerkannte.

Zwei in dieser Zeitschrift14) abgebildete
Tafeln der „Sammlung Schnütgen" mit den
Darstellungen des Todes und der Krönung
Mariens zeigen manche verwandte Züge mit
den Glasmalereien von St. Kunibert, vor allem
in der Tracht und in der Anbringung der
Stifterbildnisse, so daß die Auffassung, sie der
nämlichen Werkstätte zuweisen zu dürfen,
vollauf gerechtfertigt erscheint.

Linnich. Heinrich Oidtmann.

'*) 1907, XX. Jahrgang, Nr. 6, Tafel VI. Spalte
161 u. 162.
 
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