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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Witte, Fritz: Über sogenannte "englische Stickereien" des XV. und XVI. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0151

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1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

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ihnen, das ist die Einteilung des Mantel-
grundes in einzelne Felder duich Architekturen
und Vierpässe mit eingeschobenen Quadraten,
wodurch sie sich in einen wesentlichen Gegen-
satz zu den nach ganz anderen Dekorations-
prinzipien ornamentierten Mänteln stellen, die
wir zur Besprechung heranziehen. Diese ver-
zichten auf eine Einteilung im Sinne des
XIII. Jahrh. und werfen die Stickerei als
reines Ornament auf den farbigen Grund, ganz
im Sinne der späten Gotik. Allerdings häufen
sich auf den Stäben der Paramente im XV.
Jahrh. die oft in schwerer Goldtechnik herge-
stellten Architekturen, Baldachine, Wimperge
und architektonische Umrahmungen, aber frei

werden, wie sie uns hier interessieren, näm-
lich die aus dem Inventar der Kathedrale
von Lincoln vom Jahre 1536: „Sechs Chor-
mäntel von rotem Samt, bestickt mit Engeln,
welche die Inschrift halten: ,Da gloriam Deo'"?)
Auf den Kasein in Laurenzberg und der west-
fälischen tragen die geflügelten Engel dieselbe
Inschrift, und, soweit eine Rekonstruktion der
Inschrift auf unserem Chormantel möglich ist,
liest man auch hier diese drei Worte heraus.
Drei Möglichkeiten für die örtliche Fest-
legung unserer Paramente liegen vor: Ent-
weder sind sie englischen Ursprunges, und
Chormäntel der angegebenen Art kamen als
Geschenke oder auf sonst eine Weise ins



Spätgotischer gestickter Chormantel, „Sammlung Sdinütgen".

auf den Untergrund gesetzter pflanzlicher und
figuraler Dekor kommt auch in Deutschland
um die Wende des XV. Jahrh. vor. So birgt
das bischöfl. Museum in Münster i. W. eine
Fahne oder ein Vorsatzvelum sowie ein Kasel-
kreuz, die gar Ornamente auf rotem Grund
aufweisen, welche sich mit denen auf unserem
Chormantel fast decken. Der figurale Schmuck
steht hier wie dort inmitten der als Streu-
muster behandelten Blumenornamente.

Warum die von uns herangezogenen Para-
mente englische Arbeiten sein müssen, wird
nirgends gesagt. De Farcy nennt mehrere
Stellen aus Kircheninventaren, in denen Chor-
mäntel genannt werden, die in opus-angli-
canum-Technik hergestellt waren. Von diesen
Belegstellen kann meines Erachtens nur eine
einzige unzweideutig auf Arbeiten bezogen

Ausland und wurden zerschnitten, oder die
Stickereien wurden auch anderswo gefertigt.
Die Auswahl der Motive ist derart, daß sie
kaum zu sicheren Feststellungen führen kann.
Neben den vielfach erwähnten Cherubim
bilden tulpenartige Blumen, die Bourbonen-
lilie und der Doppeladler den Schmuck. Die
Lilie als Hinweis auf Frankreich ansehen
wollen, würde zu gewagt sein, sie ist ein
Hauptbestandteil mit im Formenkanon der
Gotik. Und der Doppeladler, er ist ein
heraldisches Zierstück, das weiteste Verwen-
dung auch in den Gegenden gefunden hat,
die den Adler nicht im Wappen führen.
Beide Motive verschwimmen in dem über-
haupt stark heraldisch behandelten Dekor der

8) de Farcy, a. a. O., pag. 52.
 
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