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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Schmid, Andreas: Pflege der kirchlichen Kunst in den Priesterseminarien, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0162

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229

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

230

Gegenstand. Auch von einer anderen Seite
wird die Nützlichkeit eines solchen Museums
anerkannt.

Es ist nicht zu leugnen, daß die Einrichtung
von Kunstmuseen ihre Schattenseiten hat,
wenn man Kirchen ausplündern will und
Heiligenbilder neben lasziven Produkten auf-
stellen würde, allein selbst Reichensperger22)
warnt, das Kind mit dem Bade auszuschütten.
In einem Diözesan- oder Seminarmuseum sind
solche Verstöße von vornherein nicht zu
fürchten. Solange keine Wissenschaft der
Kunstgeschichte bestand, konnte man auch
Kunstmuseen leichter entbehren; seitdem aber
Winkelmann durch seine Geschichte der Kunst
des Altertums (1764) die Kunst bahnbrechend
von neuer Seite beleuchtete, denkt jeder
Kunstgelehrte, wenn er die Werke seiner
Forschung zur Vergleichung in einem Ge-
bäude vereinigt findet und nicht erst in der
halben Welt, hinter tausend Schlössern ver-
riegelt, aufsuchen muß. Sicherlich bleiben die
Gegenstände in einem Museum auch der
Nachwelt eher erhalten, als wenn sie an
hundert verschiedenen Orten liegen und der
zufälligen Sorge oder auch Gleichgültigkeit
des wechselnden Kirchenpersonals überlassen
werden23).

Für Lehrzwecke ist nicht notwendig, Kunst-
werke ersten Ranges zu besitzen; es genügen
selbst Bilder zweiter und dritter Reihe, weil
das kunsthistorische Interesse das ästhetische
überwiegen soll. Sogar Bilder, welche nur als
abschreckende Beispiele dienen, z. B. be-
kleidete Figuren, können mit Recht einen
Platz erhalten; überhaupt alle kirchlichen
Gegenstände, vom Turmknopf an bis zur ab-
gerissenen Lampenschnur herab, sind brauch-
bar. Gerade der Umstand, daß Kunstwerke
aus den verschiedensten Jahrhunderten und
von verschiedener Qualität möglichst zahlreich
nebeneinander gerückt sind, erweitert den Blick
der Alumnen über Kirchturmsspitze hinaus.

Unter diese Kunstwerke können auch
Bilder gemischt werden, welche auf die Ge-
schichte des Seminars sich beziehen, z. B.
eine Abbildung des Gebäudes, Porträte früherer
Diözesanbischöfe, Seminarvorstände, Stifter
und Wohltäter der Anstalt usf. Auf solche
Weise gewinnen die Alumnen historischen

") «Fingerzeige» (Leipzig 1854) S. 10G.
23) Gegen «Frankf. Anz.» 1894 S. 179.

Sinn und erhalten Muster für ähnliche Samm-
lungen in Sakristeien und Pfarrhöfen.

Leichter als ein Museum für plastische
Gegenstände ist eine Sammlung von Abbil-
dungen zu gewinnen, seien es Holzschnitte».
Kupferstiche, Lithographien, Photographien usf.
Wie viele mitunter schöne und brauchbare Ab-
bildungen, welche Beilagen zu Tagesblättern
oder Bücherumschläge bilden, wandern nicht
jährlich in den Papierkorb! Der aufmerksame
Sammler schneide die Bilder aus fremdem
Texte heraus und klebe sie mit arabischem
Gummi an den vier Ecken auf braunes Em-
ballagepapier von Folio-Größe; dadurch ent-
steht im Verlauf von zehn Jahren eine sehr
dankenswerte Sammlung, welche nur nach
Grundsätzen geordnet zu werden braucht.
Die Ordnung für Darstellung der Baukunst,
Plastik und Malerei findet sich am besten
nach Zeitperioden oder Schulen in jedem
Handbuche der Kunstgeschichte.

Eigentümlichkeiten bezüglich der Ordnung
unterliegt nur jene für Paramentik. Es
sollte eine dreifache Sammlung angelegt werden,
nämlich für Weberei, Stickerei und
S p i t z e r e i, wenn dieser Ausdruck genehm
ist. Jede Sammlung sollte wieder drei Unter-
abteilungen erhalten, in welcher die Geschichte,
die Stoffkunde und die Technik in Mustern
vor Augen liegt. Sehr leicht sind verhältnis-
mäßig Modelle oder alte Gewänder aus dem
Gebiete der Paramentik zu beschaffen; denn
abgenutzte Gewänder gibt es überall. Es
können auch aus minderwertigen Stoffen ohne
große Kosten neue Muster hergestellt werden.
Für den Abgang der altchristlichen, roma-
nischen und selbst gotischen Gewebe können
Abbildungen dieser Stoffe aufgezogen werden.
Eine vortreffliche Sammlung bietet Fischbach,
Franz, «Ornamente und Gewebe»24). Auch
können neue nachgeahmte Stoffe als Kopien
Verwendung finden.

Um Muster für die Stoffkunde und
Technik zu erhalten, wende man sich ein-
fach an ein Kloster oder ein Institut, in
welchem kirchliche Paramente gefertigt werden
und lasse sich die Muster auf Kartons auf-
nähen oder aufkleben. Da jeder alte und
neue Fetzen brauchbar ist, wird in der Regel
die Mühe der Sammlung und Ordnung größer
als der materielle Wert.

u) Hanau. Ohne Datum.
 
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