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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Schmid, Andreas: Pflege der kirchlichen Kunst in den Priesterseminarien, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0163

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231

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

232

Noch leichter als eine Paramentensamm-
lung ist eine Kollektion zu gewinnen für an-
schauliche Darstellung der Geschichte und
Technik der Glasmalerei von der Skizze
an bis zum Torfe, mit welchem der Muffel-
ofen geheizt wird. Jede Glasmalerei ist im-
stande, um mäßigen Preis einen Beitrag von
Glasscherben, farbigen Butzen usf. zu liefern.

Ist die Einrichtung eines eigenen Kunst-
museums aus verschiedenen Gründen nicht
durchführbar, so besitzt doch jedes Seminar
ein solches Museum, welches kirchlichen
Schmuck enthält und Gelegenheit zu ausge-
dehnten Kunstvorlesungen gibt, nämlich die
Kapelle und die Sakristei. Die Erklärung
der kirchlichen Geräte, Gefäße und Paramente
ist unbedingt notwendig, wenn der künftige
Priester nicht mangelhaft ausgebildet zum
Schaden der Seelsorge in sein Amt eintreten soll.

In gewisser Beziehung möchte ich die
artistisch-liturgische Erklärung der genannten
Räumlichkeiten dem Besuche des wertvollsten
Museums vorziehen, weil es am unmittel-
barsten in das Verständnis der Kultgegen-
stände einführt, das Auge für die Kunstformen
schärft und Liebe zum Kulte einflößt. Welcher
Alumnus wird für die Schönheit der Liturgie
begeistert durch die rubrizistischen Vor-
lesungen über den Kirchenkalender, Okkurrenz
und Konkurrenz und Kommemoration der
Feste? Ein viel günstigeres'Licht fällt auf den
Kult, wenn er auch artistisch-liturgisch be-
leuchtet wird.

Die erworbenen Gegenstände können in
einem größern verschließbaren Lokale (Museum)
untergebracht werden und sind in diesem
Falle gegen Diebstahl .gesichert; allein es ist
zu befürchten, daß sie den Alumnen zu ferne
gerückt bleiben und nur zu Gesicht kommen
während der Unterrichtsstunde.

Der Zweck des Museums wird leichter er-
reicht, wenn Kunstwerke größerer Art, wie
Einrichtungs- und Schmuckgegenstände, auf i
Gängen und in Zimmern zur Aufstellung und
Aufhängung gelangen. Auf diese Weise sehen
die Alumnen beim Hin- und Hergehen alle
Schätze offen und frei, gewöhnen das Auge
an den Anblick und haben Gelegenheit zur
Betrachtung und Vergleichung.

Die Ordnung der Aufstellung kann eine
mehrfache sein, je nach dem Zwecke, welcher
verfolgt wird. Ist freier Raum verfügbar, so
empfiehlt sich die kunstgeschichtliche

Ordnung, weil an den einzelnen Gegenständen
die Entwicklung der Kunst leicht zur Be-
trachtung kommen kann.

Die ästhetische Aufstellung sieht nicht
auf die historische Entwicklung der Kunst-
formen, sondern erzweckt Genuß durch Auf-
stellung von wahren Kunstwerken in Gruppen.
Für Priester, welche in der Seelsorge nicht
bloß Schönheitsgefühl, sondern auch kunst-
geschichtliche Kenntnisse besitzen sollen, dürfte
diese Aufstellungsweise weniger dankbar sein.

Werden die Gänge und die Zimmer des
Seminars zur Aufstellung benutzt, so ist in der
Regel der verfügbare Raum auch für die Auf-
stellung maßgebend, und es kann nicht ver-
mieden werden, daß Altes und Neues, Schönes
und Minderwertiges sich bunt durcheinander
mischt. Suche man nur nach dem trinita-
rischen Gesetze der Einheit und Verschieden-
heit zu gruppieren, und man darf diese Auf-
stellungsweise nicht einmal sehr beklagen, weil
sie zu gefälligen Resultaten führte und weil
auch in den Kirchen die Geräte nicht immer
in kunstgeschichtlicher Rücksicht aneinander-
gereiht werden, sondern in Rücksicht auf das
liturgische und lokale Bedürfnis. Auch das
Leben hat ein System, aber nicht immer das
System der Schule. Wir weisen nur hin auf
die Reihenfolge der Lesungen an den Sonn-
und Festtagen während der hl. Messe.

Ist der Anfang zu einem Museum in dieser
oder jener Form einmal gemacht, so müssen
die gewonnenen Gegenstände genau inven-
tarisiert werden, um den Besitzstand zu
kennen und für kommende Zeiten zu erhalten.

Weil die Übersicht in einem Inventare
durch viele Nebenbemerkungen zu sehr leiden
würde, so ist geraten, gleichzeitig neben dem
Inventar auf halben Foliobogen zu verzeichnen
Stoff, Maße, Alter, Herkunft, Ankaufspreis,
Beschreibung, Literatur des Gegenstandes usf.
Sind einmal mehrere Schätze derselben Art
gesammelt und wollen die Maße nicht mehr
zur Unterscheidung der Gegenstände aus-
reichen, z. B. Madonna mit Kind, Rauch-
fässer, so genügt eine kleine Feder- oder
Beistiftskizze am Rande, um den Gegenstand
sicher wiederzuerkennen.

Sind diese Notizen halbbrüchig auf Folio-
bogen geschrieben, so können diese Bogen in
einen Sönneckenschen Ordner eingefügt und
nach Wunsch jede Minute wieder verrückt
werden.
 
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