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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Podlacha, Ladislaus: Die "Göttliche Liturgie" in den Wandmalereien der Bukowiner Klosterkirchen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0182

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259

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

260

Die „Göttliche Liturgie" in den Wandmalereien der Bukowiner Klosterkirchen.

ie byzantinische Kunst der Neu-
[ I zeit gehört ihrem Charakter nach

noch immer dem Mittelalter an.

Sie gehört zu jenen Erscheinungen
der Kunsttätigkeit, welche — gleich der mittel-
alterlichen künstlerischen Produktion — zu
ihrem Verständnis und richtiger Interpretation
gründliche Vertrautheit mit den liturgischen
Bräuchen voraussetzen. Ist das nicht der
Fall, und will man die Kunst der Byzantiner
nach dem ersten Eindruck beurteilen, so ist
man leicht geneigt, sie für durchweg sym-
bolisch zu halten. Das hat allerdings seinen
Grund in dem Umstand, daß eine beträchtliche
Anzahl von Werken unmittelbar der kirch-
lichen Praxis als seiner Quelle entsprossen
ist und dadurch ein ausgesprochen liturgisches
Gepräge erhielt. Zu den Bildern dieser Art
gehört unter anderen die „Göttliche Liturgie",
auch der „Cherubische Lobgesang" genannt.
Das Thema ist rein byzantinisch, in dem
Abendlande unbekannt, scheinbar der Reali-
tät entbehrend, in Wirklichkeit eine Ableitung
der Handlung, die sich vor dem Altartisch
der griechischen Kirche so oft abspielt. Die
rein idealen Züge offenbaren sich nur in der
Auffassung der Szene, der Gedanke selbst
wird im wesentlichen durch Vorschriften des
bischöflichen Ritus bedingt. Hier ist der
Prototyp der Szene zu suchen, welche dem
Milieu des sich in der Kirche abspielenden
Lebens entlehnt, durch die Macht der künst-
lerischen Phantasie in die himmlischen Sphären
versetzt wurde und dadurch so tief poetischen,
zugleich auch so rein christlichen Charakter
gewann, daß sie unter den byzantinischen
Wandmalereien des XVI. und XVII. Jahrh. die
hervorragendste Stelle einnimmt und in ihrer
würdevollen aber auch der lyrischen Züge
nicht entbehrenden Stimmung einzig dasteht.
Die Göttliche Liturgie (t} &tla XinovQyi'a)
gehört zu jenen Themen, die zuerst in der
Kleinkunst und Miniaturmalerei auftauchen
und seit dem XVI. Jahrh. dem Inventare des
Kirchenwandschmuckes einverleibt werden,
was mit dem allgemeinen Aufschwung der
byzantinischen Wandmalerei dieser Zeit in
engerem Zusammenhange steht. In der unten
beschriebenen Form ist sie nur den Byzan-
tinern eigen, denn die von Didron in den
Anmerkungen zu Hermeneia als Analogon

angeführten plastischen Werke der Kathe-
drale zu Reims *), wie auch die abendlän-
discheLiturgia coelestis, entspringen einem
anderen Gedankenkreise und aus diesem
Grunde dürfen sie hier nicht in Betrachtung
gezogen werden.

Die ersten Ansätze der Komposition, wie sie
auf dem byzantinischen Boden auftritt, reichen
noch in das Mittelalter zurück. Angedeutet
ist sie in einem dem XL Jahrh. angehörenden
Evangeliare aus Grusien2), in voller Konzep-
tion tritt uns entgegen in dem berühmten,
aus dem XII. Jahrh. stammenden und auf
dem Berge Athos (Xeropotamu) befindlichen
Panagiarion (oder Artos) der Prinzessin Pul-
cheria. Auf dem Rande dieser Schale sieht
man einen mit dem Tuche überdeckten Altar-
tisch in feiner Schnitzerei ausgeführt, darüber
den Erlöser in der Gestalt eines nackten
Kindes (die Inschrift: ö dfit'og iov friov), auf
dessen Brust ein Evangelienbuch liegt. Zu
beiden Seiten des Tisches steht Christus im
Sakkos und Omoforion, zweimal abgebildet,
eine Rolle in der Linken haltend, mit der
Rechten segnend. Links trägt ein als Diakon
gekleideter Engel das Tuch mit dem Bilde
von Christi Grablegung3), ein zweiter Engel
hält in der Hand eine Schale, ein anderer
den Kelch, der nächstfolgende den Artos,
die anderen der Reihe nach den Diskos, die
Rhypidien (Fächer) und Leuchter, der vor-
letzte ein Rauchfaß und einen noch nicht
gedeuteten Gegenstand, der letzte im Ge-
folge ein Schilfrohr und ein Reliquiar. Sämt-
liche Engel schreiten zum Altartische und
werden hier von dem rechts stehenden Er-
löser empfangen 4).

') 'JiQ/j/jrtla tfjq ^myQaqiixijs. »Das Hand-
buch der Malerei vom Berge Athos«, aus dem hand-
schriftlichen neugriechischen Urtext übersetzt, mit
Anmerkungen von Didron d. Ä. und eigenen von
G. Schäfer (Trier 1855) S. 234—235.

2) Kon dako\v , »Die Denkmäler der christlichen
Kunst auf dem Athos« (Petersburg 1902, russisch)
S. 226, Anmerkung.

b) Russisch heißt dieses Tuch: pfaszczanica.

*) Die Beschreibung des Panagiarion bei Kon-
dakow w. o. S. 225-227, dazu Tafel XXX. We-
niger ausführlich bei Brock haus, »Die Kunst in
in den Athos-Klöstem« (Leipzig 1891) S. 50—51 ;
Bayet »L'artbyzantin«, (Paris, ohne Jahr) S. 198—200
Einen kurzen Aufsatz über die Göttliche Liturgie in
 
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