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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Podlacha, Ladislaus: Die "Göttliche Liturgie" in den Wandmalereien der Bukowiner Klosterkirchen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0183

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261

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

262

Das Relief des Pulcheria-Artos gehört
gleich manchen anderen Szenen — wie z. B.
Kommunion der Apostel, Der große Erz-
priester, Lamm Gottes, Deesis, manchmal
auch Fußwaschung6) — zu jener Gruppe von
Darstellungen, die unter direkter Mitwirkung
liturgischer Bräuche und Gebete entstanden
sind. Reales Vorbild dazu lieferte der sogen,
große Einzug (fjfytrtii daoöog), welchen in
der Liturgie der Gläubigen der Priester, der
Diakon und die Sänger während des cheru-
bischen Lobgesanges veranstalten. Die Hand-
lung geht folgendermaßen vor sich. Gleich
beim Anfang der Liturgie der Gläubigen singt
der Chor das Lied der Cherubim „Die wir
geheimnisvoll die Cherubim darstellen", der
Priester und der diensttuende Diakon begeben
sich zu dem seitwärts befindlichen Rüsttisch
(nQoücois), und es erfolgt die feierliche Über-
tragung der zum Sakrament vorbereiteten
Gaben auf den Altartisch. Nach einer ur-
alten christlichen Sitte legt der Priester den
Aer (Decke) auf die linke Schulter des
Diakons, dann setzt er ihm den Diskos mit
den Broten auf das Haupt. Der Diakon
faßt denselben mit beiden Händen und zu
gleicher Zeit hält er mit einem Finger der



der Kunst, ohne jedoch näher diesen Gegenstand zu
untersuchen, veröffentlichte auch Dobbert in seiner
Abhandlung: »Das Abendmahl Christi in der bil-
denden Kunst bis gegen den Schluß des XIV. Jahrh.«,
Repertorium für Kunstwissenschaft Bd. XV
(1892) S. 523—527.

5) Die Fußwaschung wird in der byzantinischen
Kunst historisch geschildert, es finden sich aber
Szenen, in welche eine Reihe von durch die litur-
gische Handlung beeinflußten Motiven eingetreten ist.
Man vergleiche nur beispielsweise Bilder des XVII.
Jahrh. mit der Ordnung des am Gründonnerstag abge-
haltenen Gottesdienstes oder mit den von dem Archi-
diakon Paulus von Aleppo um die Mitte des XVII.
Jahrh. verfaßten und sich auf die walachischen Ver-
hältnisse beziehenden Beschreibungen der Fußwaschung
in den Kirchen von Bukarest und Tirgowischt, so
wird man dann erst zur evidenten Überzeugung ge-
langen, in welchem Grade und Umfange das sich an
dem Altare vollziehende Drama auf die Phantasie des
Künstlers befruchtend wirkte. Vgl. »The travels of
Macarius, patriarch of Antioch, written by his atten-
dant archdeacon Paul of Aleppo in arabic, transl.
by F. C. Belfour« (London 1829 — 1836) vol. I
S. 138—139, vol. II S. 332—333. Die Ordnung
der Fußwaschung findet der Leser im Buche: »Be-
gräbnis-Ritus und einige spezielle und altertümliche
Gottesdienste der orthodox-katholischen Kirche des
Morgenlandes«, deutsch und slawisch von A. v. Maltzew,
(Berlin 1898) II S. 62-89.

rechten Hand das Rauchfaß, sodann gehen
beide, der Priester mit dem Kelche vor der
Brust, der Diakon mit den heiligen Gaben
auf dem Haupte, unter Vorantragung der
brennenden Lichter durch den nördlichen
Altareingang in den Kirchenraum. Danach
betreten beide die Königspforte und die
Stufen des Altars6).

Nicht diese einfache Handlung jedoch,
sondern eine andere, für den bischöflichen
Ritus vorgeschriebene, schwebte dem Künstler
vor den Augen. Wird nämlich der Gottes-
dienst von einem Bischof vollzogen, so werden
die einzelnen Handlungen unter die bei-
stehenden Priester und Diakonen verteilt. So
legt der Bischof den Aer auf die Schulter
eines der Diakonen und den Diskos auf das
Haupt des Protodiakons, den Kelch übergibt
er dem ersten Archimandriten, die anderen
Geräte, wie das Kreuz, den Löffel, den Speer,
den Schwamm, den anderen Priestern, und es
findet nun der große Einzug in feierlichem
und würdevollem Gange statt. Der Bischof
nimmt daran nicht teil, sondern wartet
das Ende der Prozession ab, dann tritt
er aus der Königspforte heraus, nimmt
von dem Protodiakon den Diskos entgegen,
geht in den Altarraum zurück und stellt den
Diskos auf den heiligen Tisch. Diese Zere-
monie wiederholt sich bei dem Herankommen
anderer Priester, außerdem segnet der Bischof
von seinem Platze aus jeden von ihnen, der
in den Altarraum eintritt.7)

Die Ähnlichkeit des großen Einzugs in
dem bischöflichen Ritus und der Prozession
der Engel auf dem Pulcheria-Artos springt
sofort in die Augen. Manche ikonographische,
der bloßen Schilderung des Einzugs fremde
Elemente lassen sich auch mit Hilfe der
liturgischen Texte erklären, wie z. B. das
Leichentuch mit der Abbildung Christi oder
das Christuskind mit der Inschrift 0* dfivoq
iov &tov. Haben schon die während des

e) »Die Gott liehen Liturgien unserer heiligen
Väter Johannes Chrysostomos, Basilios des Großen
und Gregorios Dialogos«, deutsch und slawisch von
A. v. Maltzew (Berlin 1890) S. 172 ff.; siehe auch den
Artikel „Liturgie" von Bickell und den Artikel „Pro-
thesis" von Beilesheim in der »Real-Enzykl opädie
der christlichen Altertümer«, hrsg. von F. X. Kraus
(Freiburg i. Br. 1882— 1886) Bd. II S. 316 und
662-663.

7) Näheres im »Liturgikon« von A. v. Maltzew
(Berlin 1902) S. 229—232.
 
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