Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

DOI Artikel:
Georg, Johann: Zwei Werke spätbyzantinischer Goldschmiedekunst im Sinaikloster
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0191

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
277

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST _ Nr. 9.

278

Zwei Werke spätbyzantinischer Gold seh miedekunst im Sinaikloster

(Mit 2 Abbildungen.)
uf Werke der spätbyzantinischen

Goldschmiedekunst wird im all-
gemeinen wenig geachtet. In
unseren Kirchen finden sich keine,
und im Orient sucht man mehr nach den
schönen Werken früherer Zeiten. Im allge-
meinen hat man ja recht. Viele Werke sind
sehr unbedeutend. Aber doch zeigt sich noch
in einigen gute alte Tradition.

Mir ist es vergönnt gewesen, auf meiner
Reise nach dem Sinai den Schatz des dortigen
Klosters, der nur selten gezeigt wird, zu sehen.
Werke aus älterer Zeit, wie man solche er-

?S3

Abb. 1.

warten könnte, finden sich keine. Aber einige
Sachen des XVI. und XVII. Jahrh. sind der
Beachtung wert. Zwei habe ich photogra-
phieren können und veröffentliche sie hier.

Es sind zwei kleine Kirchen, wie sie von
den Griechen bei gewissen feierlichen Gottes-
diensten in den Prozessionen getragen und
dem Volk gezeigt werden. Reliquarien, wie
man versucht wäre, sie zu nennen, sind es
also nicht.

Die eine Kirche (siehe Abbildung 1) stammt
aus der Zeit von etwa 1600. Sie ist in der
typischen Form einer byzantinischen Kirche
der besten Zeit. Sie hat fünf Kuppeln. Die
Eingangstüren sind gut ausgeführt. Auch
einige Reliefs sind angebracht. Das Ganze
ist in Gold ausgeführt und mit feinen ornamen-

talen Emails geschmückt. Die letzteren geben
einen so entzückenden Farbenzusammenklang,
daß man versucht wäre, das Werk einer früheren
Zeit zuzuschreiben. Und doch ist es erst aus
der Zeit um 1600.

Die andere (siehe Abbildung 2) hat eine
gang besondere Form. Auf den ersten Blick
denkt man an eine spätgotische Kirche. Es
sind ganz solche Ornamente, wenn auch mit
byzantinischen und arabischen vermischt.
Zweifellos zeigen sich Einflüsse der Kunst,
wie sie in Spanien und Portugal um 1500
ausgeübt wurde. Wie ist das nun hierher ge-

Abb. 2

kommen? Daß das Werk nicht am Sinai
entstanden sein kann, ist mir ganz zweifellos.
Die Provenienz konnten aber die Mönche
nicht angeben. Ich möchte annehmen, daß
es als Weihegabe eines Pilgers hierherge-
kommen ist. Ein Datum ist nicht daran zu
finden. Vielleicht ist es etwas älter als die
andere Kirche. Aber viel weiter als 1580
wird man wohl nicht hinaufgehen können.

Diese Zeilen sollen eine Anregung dafür
geben, daß sich noch mancher der Erforschung
spätbyzantinischer Kleinkunst hingeben möge.
Es werden sich da sicher die überraschendsten
Resultate ergeben, auch über Beziehungen
zwischen orientalischer und abendländischer,
christlicher und islamitischer Kunst.

Johann Georg, Herzog zu Sachsen.
 
Annotationen