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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Witte, Fritz: Neue Hoffnungen?
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0209

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303

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

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wird in allen Fällen das Empfehlenswerte sein,
und wir hoffen, daß all die tausend Geist-
lichen, die alljährlich zum deutschen Dome
wallfahrten und dort ihre Seele weiten, auch
zur „Sammlung Schnütgen" pilgern, um dort
zu schauen, was die Kirche im Mittelalter
auf dem Gebiete der Kunst geleistet, was sie
an Kunstschätzen aufgespeichert hat, um dort
sich zu erwärmen und zu begeistern zu Neu-
anschaffungen und Neuschöpfungen in den
ihnen anvertrauten Kirchen. Das Jahr über
aber wird diese Zeitschrift — mehr noch als
das bislang geschehen — den Aufgaben ge-
recht zu werden suchen, die wir als nahe-
liegende dem Klerus ans Herz gelegt: Studium
der alten, Anregung zu neuer Kunst. Ob in
Bälde die Möglichkeit geschaffen werden wird,
alljährlich das eine oder andere Mal aus den
verschiedensten Diözesen Deutschlands einzelne
besonders interessierte und beanlagte Geist-
liche für einige Tage nach Köln zu ziehen zu
kurzem, informierendem Kursus in dem, was
so lange schon ein Stiefkind der Aufmerksam-
keit war, das hängt von dem Wohlwollen ab,
das in erster Linie die hochwürdigsten Herren
Bischöfe dem neuen Institut entgegenbringen
werden; an frohen Aussichten fehlt es auch
da wahrlich nicht. Wir stehen in der Kirchen-
kunst ohne allen Zweifel vor einer entschei-
denden Wendung. Die nervöse, blinde Hast,
mit der man sich heute an alles Neue und
Originelle in der Kunst klammert, sie scheint
auch auf kirchliche Kreise übergreifen zu
wollen. Das ist vom Übel! Die Kirche
kann niemals zum Versuchsobjekt für Künstler-
laune sich hergeben. Wir fühlen und denken
mit unserer Zeit, wollen mit ihr auch schaffen,
aber nicht einzig für sie, für die, welche
eine neue Kunst aus dem Boden stampfen
möchten. Mag die Profankunst wie die reli-
giöse schalten und walten auf ihrem Gebiete,
frei und unabhängig bis zu der Barriere, über
die hinaus sie in das Reich des Unerlaubten
gerät, größer als ihre Aufgaben sind die der
kirchlichen Kunst, strenger sind dieser die
Grenzen gezogen, eindringlicher und unaus-
löschlicher ist ihr das Gebot gegeben, wahren
ethischen Wert sich zu erarbeiten. Eine
Kunst für Christen! Tüchtige, ernste Künstler
sollen uns zuerst eine reife Frucht ihres
Strebens nach neuer Zeitkunst zeigen, die
Kirche soll, wie sie es stets getan, mit Freuden
nach dieser reifen Frucht greifen. Aber das

Gesetz der Kontinuität, mag man es immer
Konservatismus, gar verknöcherten nennen,
es ruht im Schöße der Kirche, in ihrer In-
stitution, die Kirche von heute, sie ist die
Kirche des vorigen Jahrhunderts, ja selbst
jener Zeiten, in der die Gotik ihre Dome
wölbte. Warum sonst hätte sie denn bei uns
seit dem Konzil von Trient einen eigentlichen
Kirchenstil sich nicht erarbeitet. Und
heute ? Sind nicht die gewaltigen — zum Teil
gewaltsamen — Strömungen der Jetztzeit an
ihr spurlos vorübergezogen, höchstens darin
ihre Spuren hinterlassend, daß religiöser Eifer
und religiöses Bewußtsein geschwächt, bei
vielen sogar vernichtet wurden? Wir haben
bereits eine durch Erfahrung geläuterte und
befestigte Tradition, die ihre Wurzeln ge-
schlagen in dem, was die Väter uns schufen.
Wir können sie nicht eher ganz aufgeben, als
bis eine neue kirchliche Zeit, oder nennen wir
es religiöse Strömung, unter Führung unserer
Oberen hereinzub rechen beginnt'), Die schrecken
uns nicht, welche der christlichen Kunst ihr
Grabüed singen möchten, das Feuer auf dem
Christusaltare, das in den Herzen seiner An-
hänger brennt, es scheint annoch und wird
auch der kirchlichen, der religiösen Kunst
seinen erleuchtenden Strahl abgeben.

Wie sollen wir uns zu den brennenden
Fragen über neuzeitliche Kirchenkunst vor allem
stellen? Ablehnend? Keineswegs! Sollen wir
zugreifen ? Das ist in den meisten Fällen minde-
stens verfrüht. Über all das soll „für" und
„wider", soweit es aus der Feder von Berufenen
hervorgeht, hier in diesen Blättern jederzeit gern
zu Worte kommen, damit die Meinungen sich
klären, damit jedem, der gezwungen ist, für
kirchliche Kunst Ausgaben zu machen, Richt-
wege gewiesen werden, die innerhalb des
Bannkreises kirchlicher Zulässigkeiten sowohl
wie künstlerischer Forderungen liegen. Wie
die „Sammlung Schnütgen", so steht auch
ihre Bibliothek wie ihre Verwaltung jederzeit
jedem zur Verfügung, der des Rates und der
Hilfe bedarf. Die Herren Konfratres aber
bitten wir dringlichst, uns nach jeder Richtung

J) Ich verweise mit besonderer Freude auf das
7. Sonderheft der „Architektur des XX. Jahrh." hin,
in welchem die von C. Moritz, Köln, ausgeführten
Kirchen- und Klosterbauten veröffentlicht werden.
Moritz erweist durch seine Arbeiten, was der christliche
Künstler in ernstem Studium der Alten erreichen krinri.
Verlag E. Wasmuth, Berlin W 8.
 
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