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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Firmenich-Richartz, Eduard: Der Meister von St. Laurenz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0226

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325

1910.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. U.

326

Grund vor, die Auskunft über die Provenienz
des Altarfiügels abzuweisen. Es stünde besser
um die rheinische Kunstgeschichte, wären
die Sammler nicht oft aus triftigem Grund
im eigenen Interesse bemüht gewesen, Her-
kunft und Erwerbsart ihrer Schätze vorsichtig
zu verheimlichen.

Die Pfarrkirche St. Laurenz im Zentrum
der Altstadt gelegen war erfüllt mit Denk-
mälern. Beim Abbruch des Baues im Jahre
1817 teilten sich die einflußreichsten Sammler
unter die Spolien. Die Altarwerke wurden
zu Stilproben zerstückt. Stephan Lochners
wildbewegte Vorführung des jüngsten Gerichts
mit den grausigen Martyrien der Apostel,
den höfischen Heiligengestalten, Sta. Katharina
an erster Stelle nebst Stiftern an den Flügeln,
vielleicht einst für den Katharinenaltars) be-
stimmt, muß heute an drei entfernten Stellen
aufgesucht werden.

Schon Aegidius Gelenius erwähnt den
Hauptaltar, eine Stiftung des Gerard Questen-
berg (f 30. Juni 1594) und der Katharina
Therlaen Lennep von 1584i).

Aus St. Laurenz gelangten die ausge-
zeichneten Flügelbilder eines Altarschreines
von Dierick Bouts an den Rektor Fochem
und zum Teil bald weiter in die Sammlung
Boisseree 5).

Auf dem Friedhof standen an der Kirchen-
mauer noch 1613 die alten Statuengruppen
Golgatha und die Auferweckung des Lazarus 6).

Bedeutsame Tafelbilder regten gleich beim
Eintritt Sulpiz Boisseree zu Betrachtungen

') Der Stiftungsbrief der Katharinenbruderschaft
vom grünen Fischmarkt ist 1402 datiert. — Der
Katharinenaltar in St. Laurenz wird 1412 geweiht.
H. Keussen »Topographie der Stadt Köln« I. 19Ö.

4) Aegidius Gelenius: »De admiranda magni-
tudine Coloniae« 1645 p. 399.

6) Biisserees Verzeichnis Nr. 127 »Auferstehung
v. Rector (Mabuse) Laurenz, Rückseite Grau in Grau
Johannes Evangelist 1812 — 2' 2" br., 3' 5" h.« —
Jetzt Nürnberg Germ. Museum Nr. 63 H. 1,05 m,
Br. 0,82 m und München Pinakothek Nr. 113.
H. 1,06 m, Br. 0,85 m. Nach Boisserees Messung
jedoch 0,68 vi Br. — Den zugehörigen Flügel bot
Rektor Fochem den Boisseree 1. Sept. 1816 an. Das
Innenbild kam aus dem Kunsthandel 1822 nach München
PinakothekNr. 112. Die Gefangennahme Jesu. H. 1,04?«,
Br. 0,67 m. — Die Grisaillemalerei der Außenseite
gelangte in das gotische Haus zu Wörlitz. H. 1,04 mt
Br. 0,66 m.

6) L. Ennen, »Geschichte der Stadt Köln«
III 1036.

an, über den Wechsel der Stilarten und die
Folgen der Perioden in der nordischen Malerei.
„ . . . Als wir daher in der Vorhalle der
St. Lorenzkirche zum erstenmal ein Gemälde
der Apostel sahen, aut welchem die Köpfe
mit großen breiten Formen, weichen Haaren
und Bart, die Gewänder mit einfachen rund-
lichen Falten und alles mit einem gelinden
fließenden Pinsel ausgeführt war, hielten wir
dies Werk ohne Bedenken für italienisch;
es schien uns jenen Brustbildern der Apostel
auf Goldgrund aus St. Luigi [de Francesi]
in Rom ähnlich, welche wir im Restaurations-
saal des französischen Museums [zu Paris]
gesehen und worin wir eine Probe italienisch-
byzantinischer Kunstweise erkannt hatten.
Die Verwandtschaft mit diesem Bilde war so
groß als andererseits die Verschiedenheit von
allem, was wir bisher für die älteste kölnische
Malerei gehalten hatten." . . .7)

Erkannten in St. Laurenz schon die Roman-
tiker den Irrtum, Gemälde bloß wegen der ins
Auge fallenden Härten und um „ihrer geringern
Vollkommenheit" willen als die älteren zu
bestimmen, so dient vielleicht der wieder-
gefundene Altarflügel von dort heute dazu,
mit einem anderen Vorurteil aufzuräumen —
der falschen Datierung jener flüssigen weichen
niederrheinischen Malereien von allgemeiner
Typik und etwas verschwommener Formen-
bildung.

Die Kölner St. Laurenzkirche 1172 zuerst
erwähnt, scheint bei Beginn des XV. Jahrh.
stark in Verfall geraten zu sein. Johann
Jakob Merlo publizierte Auszüge einer alten
Handschrift im Kölner Stadtarchiv.8) „Van
der kirchen zo sent Laurentius ind van den
Kirchmeysteren," Aufzeichnungen und Rech-
nungsablagen des Kirchmeisters Herman
Scherfgin seit 1434, aus denen eine unge-
wöhnlich regsame Tätigkeit und spendenfrohe
Opferwilligkeit für den Umbau von Grund
aus wie für die Erneuerung fast des gesamten
Inventars hervorgeht.

Am 8. Mai 1441 entschloß sich der Kirchen-
vorstand im Vertrauen auf die Freigiebigkeit

') Sulpiz Boisseree I. (Stuttgart 1862) S. 36-

8) J. J. Merlo im »Kölner Domblatt« (1856)

Nr. 133, 136, 149. - Kelleter »Mittheilungen aus

dem Kölner Stadtarchiv« (1893). Handschriften der

geistlichen Abteilung 153. — 51 Bl. Geheftet, Papier-

Gr. 8"__156. S. Loyen-Bruderschaft. Gleichzeitige

Handschrift der Bruderschaft des Goldschmiedeamts
von 1448. 64 Bl. Perg.-Deckel, Papier. Folio.
 
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