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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Waal, Anton de: Der Wandtabernakel und die eucharistische Pyxis in San Damiano bei Assisi
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0235

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343

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

344

Die Dose oder Kapsel beansprucht unser
lebhaftes Interesse. Ihr innerer Durchmesser
beträgt 6 cm 6 mm, die Höhe 2 cm 4 mm.
Einem kleinen Scharnier auf der einen Seite
des Deckels entspricht gegenüber eine Klam-
mer zum Verschlusse der scatola oder Schachtel.
Der flache Deckel zeigt mitten durch einen
Sprung, der aber durch zwei Klämmerchen
geschlossen ist. Durch ähnliche Silberklämmer-
chen ist die Oberfläche des Deckels mit dem
Reifen der Wandung verbunden; das Gleiche
ist beim untern Teil der Dose der
Fall. Das Ganze, sowohl Elfen-
bein als Klammern, ist von äußerst-
sauberer Arbeit. Ein Kreuz oder
eine ähnliche Verzierung fehlt.

Haben wir denn hier etwa die
Elfenbeindose vor uns, von der
es in der Vita heißt: Quae
(Clara) impavida corde se
infirmam ad ostium duci
jubet et ante hostes poni,
praecedente eam capsa
argentea, intra ebur inclusa,
in qua Sancti Sanctorum
corpus devotissime servaba-
tur? — Dann müßte nach dem
strengen Wortlaut des Berichtes
in der Elfenbeindose noch eine
silberne Kapsel mit dem hl. Sakra-
mente eingeschlossen gewesen
sein. Da die Dose jedoch kaum
ein halbes Dutzend, unserer heu-
tigen großen Hostien faßt, wäre
die silberne Dose doch äußerst
dünn gewesen. Viel näher liegt
die Annahme, daß die Elfen-
beinschachtel in ein größeres
silbernes Gefäß eingeschlossen ge-
wesen: ohne Frage liegt hier ein Schreibfehler
vor, und es muß heißen: praec'edente eam
capsa argentea, intra ebur inclusum,
in quo . . . Corpus servabatur. (Man
könnte das inclusa auch als activ nehmen:
Die Silberkapsel umschloß die Elfenbeindose.)
Jedenfalls haben wir guten Grund anzunehmen,
daß die heute- in San Damiano aufbewahrte
Elfenbeindose mittelbar oder unmittelbar das
hl. Sakrament umschlossen hat, als Clara den
Sarazenen entgegentrat.

Dies wird sich bestätigen, wenn wir nun-
mehr in die Hauskapelle des Klosters hinauf-
steigen. Dieselbe steht durch eine schmale

Abb. 1. Ostensorium aus

Alabaster in San Damiano

bei Assisi.

Türe und drei Stufen mit dem alten Dormi-
torium der Nonnen in Verbindung. Die ehe-
malige Apsis ist, wahrscheinlich im XVII. oder
XVIII. Jahrh., um mehr Platz für den
Schlafsaal zu gewinnen, abgebrochen und
durch eine flache, im Innern der Kapelle nur
wenig zurückspringende Wand ersetzt worden.
Über die beiden Langseiten des Oratoriums
legt sich ein einfaches Tonnengewölbe, das
auf der rechten Seite durch ein Fenster durch-
brochen ist, welches dem Räume Licht gibt.
Nach den Überresten auf der
linken Wand zu urteilen, war
ringsum unten ein Teppichmu-ter
gemalt; wahrscheinlich waren
Wände wie Decke ehemals ganz
mit Fresken geschmückt. Der in
Ziegeln aufgeführte und roh mit
Mörtel beworfene Altar ist wohl
erst erbaut worden, als man die
alte Apsis schloß; er entbehrt jeg-
licher Verzierung.

So konzentriert sich unsere
ganze Aufmerksamkeit auf die
Ecke an der Evangelienseite. Dort
findet sich auf der Rückwand der
Kapelle ein in die Mauer sich ver-
tiefendes Wandschränkchen. Auf
die Außenseite sind oben drei
in Anbetung niederschwebende
Engel gemalt, rechts knieend drei
andere, und auf der anstoßenden
Schmalseite neben dem Wand-
schränkchen zwei andere. Alle
haben in Stuck ausgeführten
Heiligenschein, mit kleinen Kreisen
oder Ringen, die in den noch
nassen Stuck eingedrückt sind. —
Im Innern der Nische sieht man
vom Altare aus links ebenfalls einen anbetenden
Engel. Die Seitenwand ihm gegenüber ist
unbemalt geblieben, da ein Bild dort kaum von
der Kapelle aus zu sehen gewesen wäre. Der
Hintergrund der Nische aber zeigt einen
segnenden, aufrechtstehenden Christus, unten
stark lädiert; man erkennt dort am Boden
noch einen länglichen Gegenstand, über wel-
chem der Herr zu schweben scheint: ob hier
die Auferstehung oder die Vision des hl. Gre-
gor des Großen gemalt war, wage ich nicht
zu entscheiden. — Auf die Längswand der
Kapelle und im Anschluß an das Wand-
schränkchen ist unten die hl. Clara mit dem
 
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