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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

DOI Artikel:
Schnütgen, Alexander: Die Sammlung Schnütgen, [9]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0245

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Abhandlungen.

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Die Sammlung Schnütgen IX.

(Mit Abbildung 9 — Tafel XIII.)
n die Kapelle münden die
beiden zuletzt (Abb. 7 u. 8)
vorgeführten Zimmer, so
daß sie örtlich den letzten
Raum der ersten Etage
bezeichnet, hofwärts ge-
legen und durch e i n Fenster belichtet. — Ihre
südlich gelegene Wand wird fast ganz durch
den Altar: (Mensa, Predella, Flügelschrein)
und was auf, bzw. neben demselben steht,
gefüllt. Was rechts von ihm an Bildern und
Figuren aufgehängt ist, verschwindet im Dunkel.
Der eichengeschnitzte Barockschrank links
diente einer Anzahl von Skulpturen und Reli-
quiaren als Untersatz. Von ihnen ist deutlich
erkennbar eigentlich nur eine reich geschnitzte
und vergoldete, mit dem Wappen der Kölner
Familie Hardenrath geschmückte Rokokotafel,
deren Mittelpunkt ein Agnus Dei bildet,
eine Spezies, die in der Sammlung durch ein
halbes Hundert von zum Teil sehr merk-
würdigen Exemplaren vertreten ist. — An
dem Schranke, der ein Dutzend der kostbarsten
Kasein barg, etwa den zehnten Teil des ganzen
(in zwei Zimmern der obersten Etage an den
Wänden ausgebreiteten) Paramentenschatzes,
paradieren zwei Kasein. Die vordere be-
steht in einem prachtvollen venetianischen
Goldbrokat des ausgehenden XV. Jahrh. mit
einer der Mitte desselben angehörigen Ranken-,
Wappen- und Inschriftenborte kölnischen
Ursprungs. Eine nur mit Rosetten, Bäumchen
und Inschriften verzierte gewirkte Borte der-
selben Zeit und Heimat dient dem daneben
hangenden, mit fliegenden Engeln bestickten,
ungemein delikaten englischen Meßgewand
des XIV. Jahrh. als Längsstab. Eine dritte
Kasel aus norditalienischem Goldbrokat des
XIV. Jahrh. mit nur etwas jüngerem gestickten
Kruzifixus des Mittelrheins bedeckt zum Teil
das Antependium, dessen breite Leinen-
stäbe im XVII. Jahrh. applikativ behandelt
sind durch Ausschnitte aus Samniet und Seide,
die sich zu konturierten Blumen mit Ranken-
zügen zusammensetzen in einer, ihrer Ein-
fachheit und Wirkung wegen, sehr empfehlens-
werten Technik. Das spruchbandartig bestickte
Leinentuch, welches den Altartisch be-

deckt und oben wie seitlich abschließt, ist ein
italienisches Rücklaken des XVI. Jahrh. in der
damals so beliebten, neuerdings mit Recht
viel nachgeahmten Durchbruchmanier. Die
reich figurierte gestickte Mitra hochgotischen
Stiles (auf der Mensa) ist eine in jeder Hinsicht
ausgezeichnete Arbeit, die 1856 in Köln ent-
standen ist. Hinter ihr die holzgeschnitzte
Statuette des guten Hirten aus der Mitte des
XV. Jahrh., in dem diese, in der altchristlichen
Periode so beliebte, Darstellung zuerst wieder
auftaucht. Die miniaturgeschmückte Kanontafel
des XVI. Jahrh., wie das bronzegegossene
Barockmeßpültchen dürfen als Seltenheiten be-
zeichnet werden. — Die spätgotische süd-
deutsche Hochrelief-Predella mit den knieenden
Stiftern stellt Gott den Vater dar, wie er
thronend die knieend erhobenen Fürbitten des
Heilandes und der Gottesmutter für die unten
dargestellten armen Seelen entgegennimmt. —
Der Flügelaltar darüber, dessen ursprüng-
liche Polychromie wohl erhalten, dürfte in
der thüringischen (Saalfelder) Schnitzerschule
Anfang XVI. Jahrh. entstanden sein; die
Statuen des Mittelschreines stellen S. Anna,
S. Maria mater Dei, S. Vitus dar, die gemalten
Figuren der Innenflügel S. Barbara und S. Katha-
rina, der Außenflügel die Verkündigung. Die
den Aufsatz bekrönende spätgotische Reli-
quienbüste mit ganz ungewöhnlich großer
Brustöffnung ist rheinischen Ursprungs (Auktion
Garthe). — Das Vorsatzvelum ist vor der
Mitte des vorigen Jahrh. in Köln entstanden,
etwas früher sein Ständer.

Gleich nach der Vollendung der hiermit
abschließenden Innenaufnahmen erfolgte
im Mai und Juni die Überführung der
ganzen Sammlung in den Anbau am
Kunstgewerbemuseum, wo sie in 2 kleinen
und 4 großen Räumen nebst Kapelle und Sakri-
stei mit Kreuzgang der unteren, sowie in 6 Sälen
der oberen Etage übersichtlich aufgestellt ist,
hier nach den Hauptgruppen (Textilien, Para-
mente, Kleingerät, Goldschmiedekunst, Kupfer
und Zinn, italienische Kunstgegenstände) ge-
ordnet, dort nach der geschichtlichen Ent-
wicklung. — Als Führer durch das täglich
kostenlos zu besichtigende Museum dient der
von Dr. Witte verfaßte reich illustrierte Katalog
(50 Pf.). Schnütgen.
 
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