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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Lübbecke, Fried: Erwiderung
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Witte, Fritz: Replik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0078

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123

1911. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

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die neue Datierung der Figuren des Petersportales.
Daß sie nicht in die Anfänge des XV. Jahrh. gehören,
zeigt wohl ein Blick auf die datierten Werke wie den
Pallanter Altar von 1429 Entweder glaubt man an
die noch heule ziemlich allgemein festgehaltene sül-
kritische Einordnung und stellt die Figuren des Peters-
portales zu verwandten dadierten Stücken des XIV. Jahrh.
oder man verzichtet auf diese immerhin hypothetische
Datierung und beschränkt sich auf die rein ästhetische
Einschätzung. Bei dieser wird zwar die eigentliche
historische Forschung verlieren, die Erkenntnis der Kunst
gewinnen, die fast immer ohne historische Einordnung
zum Ziele kommt. Auch hinter den Werken des
Mittelalters standen Menschen echt künstlerischer Art,
deren Wesen zeitlos ist, verwandt dem aller wahrhaft
Schaffenden. Das Auftreten aller Bahnbrecher unter-
liegt keinem Gesetz, darum mutet die erste Festlegung
ihrer Kunst fast immer sprunghaft an. Man tut wahren
Kunstwerken wie den von mir herausgehobenen Arbeiten
der Kölner Plastik des XIV. Jahrh. einen schlechten
Dienst, wenn man neben ihnen Werke II. und HI-
Ranges wie die Hansasaalfiguren in gleicher Breite
beschreibt, von denen Herr Witte selber sagen muß,
es fehle „ihnen die starke künstlerische Pointe, es seien
Dekorationsfiguren mit etwas wenig Seele".

Viele Rätsel birgt auch heute noch die Kölner
Plastik des XIV. und XV. Jahrh. Eine Heranziehung
der kölnischen Malerei schien mir schon dringend ge-
boten. Leider blieb mir der Anblick ihrer wichtigsten

Denkmäler — des Klarenaltares bei seiner letzten
gründlichen Reinigung durch Herrn Fridt-Köln und be-
sonders der Domchormalereien über dem Gestühl, die
festgespannte Teppiche des XIX. Jahrh. decken ■—
trotz mancher Bemühungen versagt. Ferner wird die
allgemeine Bekanntmachung der Sammlung Schnütgen
durch ihre Überführung in städtischen Besitz manches
klären. Ich sah sie während ihrer Aufstellung im
Privathause nur einmal auf einem allgemeinen Rund-
gange. Die im letzten Jahre mächtig geförderte Er-
forschung der Plastik des Niederrheins durch Reiners
und Vogelsang, des deutschen Südens durch Hartmann,
I Habicht, Josephi, Vöge, Baune, Grill u. a. hilft das
Bild Ergebnisse runden, die mir noch nicht zur Ver-
fügung standen. Aber immer noch steht die Erkenntnis
fest, daß Köln — gemäß seiner politischen Sonder-
stellung — auch eine von seinen Nachbaren gesonderte
Kunst irr. XIV. und XV. Jahrh. hervorbrachte.
Jeder, der ihre Werke mit kunstfrohen Augen be-
trachtet, wird in ihnen mehr als die ethnographisch
interessanten Arbeiten einer kleiner lokalen Schule sehen
und wird mit mir hoffen, — wie ichs in meiner Vorrede
bereits ansprach, — daß das einmal "betretene Gebiet
bald eine Reihe von neuen Freunden gewinnen wird,
die seine Erforschung vertiefen helfen und seiner Kennt-
nis immer weiteren Kreisen vermitteln". Damit ist
ihnen ehrlicher gedient als wenn „man's erst neun
Jahre in der Lade läßt" und sie vielleicht darüber
wieder vergißt. Fried Lübbecke.

Replik.

Entweder glaubt man an die stilkritisebe Ein-
ordnung . . ., oder man verzichtet auf diese
immerhin hypothetische Datierung und beschränkt
sich auf die rein ästhetische Einschätzung. B e i
dieser wird zwar die eigentliche
historische Forschung verlieren, die
Erkenntnis der Kunst gewinnen, die fast immer
ohne historische Einordnung zum Ziele kommt.
Fried Lübbecke.

Diesen programmatischen Satz Lübbeckes möchte
ich höher gehängt wissen, und zwar schon deswegen,
weil er ein ehrliches Bekenntnis der modernen ,,Kunst-
forschung" bedeutet, an sich bedeutsam genug, um an
ihn anknüpfend einer Richtung unter den Kunst-
historikern zu Leibe zu rücken, die nachgerade ge-
fährlich wird. Mit diesem Satze macht Lübbecke ja
eine weitere Auseinandersetzung mit seinem Buche
überflüssig. Er und die, welche mit ihm tun, werden
nun aus jahrelangem Siechtum die historische Forschung
zu neuem Leben erwecken; sie wird ja allerdings
dadurch „verlieren", und wir ab- und rückständigen
Leute müssen uns darüber klar werden, daß die Kunst-
geschichte mit der leidigen Geschichte rein gar nichts
zu tun hat. Dann müßten wir allerdings jedweden
Streit aufgeben. Ob die Begeisterung der „Jungen"
uns das aber abzwingt, das sei abgewartet. Was der
Amtsbrief der Schilderer und Bildschneider Kölns vom
Jahre 1449 sagt? „Ind he (sc. der Lehrknecht) sali
sijne lerjaire as sess jaire sijme meistere truwelichen
dienen ind niet min, sunder aigclist " Wohin werdi n
wir kommen, wenn wir die Beurteilung der Kunst-
denkmäler nach F.ntstehungszeit und -ort dem subjek-
tiven Empfinden irgend eines jungen Kunsthistorikers

überlassen, der vielleicht eben aus dem Ei sich pellt!
Man fragt sich, wodurch die Möglichkeit geschaffen
wurde, daß diese „moderne" Richtung in der Fach-
wissenschaft so stark zu Worte kommen konnte? Und
darauf scheuen wir uns nicht, die bündige Antwort
zu geben: durch die heute beliebte Art der Kritik
selbst in den besten Fachzeitschriften und Tagesblättern
Ich stelle zunächst fest, daß nach Erscheinen meiner
Besprechung mittlerweile eine solche auch erfolgt ist
von H. Reiners in Nr. 14 der „Literar. Beilage" der
Köln. Volkszeitung, sowie von Kurt Habicht im
„Repertorium" (XXXIV, 3). Die Kritik H. Reiners
sagt im Grunde genommen dasselbe wie die meine,
sie unterscheidet sich von ihr nur dadurch, daß am
ernstliche Thesenanfechtung eine starke Schicht Zucker
gewickelt ist. Auch Kurt Habicht greift nicht un-
wesentliche Punkte des Lübbeckeschen Buches an, so
seine prinzipielle Behandlung der Frage nach einer
französischen Beeinflussung, die mangelnde Parallcl-
stellung der Mensafiguren mit der burgundisch-nieder-
ländischen Grabmalplastik — eine Parallele, die ich
| notabene nicht ziehen möchte, ebensowenig wie die
mit den englischen Alabasterfiguren —, ferner das Fehlen
der absolut notwendigen Nebenelnanderstellung
der „Klagenden" mit niederländisch - Inugundiselien
Motiven. Auch Habicht ist der Anficht, daß Lübbecke

die Hansasaaifiguren zu niedrig bewertet habe

Kurz gehe ich auf Lübbeckes „Erwiderung" ein,
Sonderbar ist bei ihr, dal', sie diese Bezeichnung nicht
zu Recht trägt, denn auf die WCSI Dtlich« n Einwürfe
geht sie nicht ein, poltert vielmehr ziemlich bocfatOm nd
 
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