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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Wurm, Alois: Fra Angelicos Linajuolitafel und die Krönung in den Uffizien
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0092

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149

1911. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

150

Fra Angelicos Linajuolitafel und die Krönung in den Uffizien

(Mit 3 Abbildungen.)
e Madonna dei Linajuoli in den

Uffizien zu Florenz ist als Werk
Fra Angelicos urkundlich bezeugt-
In demselben Räume befindet sich
die berühmte Krönung Mariens, für die kein
urkundliches Dokument vorliegt, die aber
immer zu den zweifellosen Werken des Meisters
gerechnet wurde. Allein weder jene Urkunde
noch diese Tradition sagt uns etwas darüber,
inwieweit der Meister eigenhändig die Arbeit
ausgeführt, oder inwieweit er Gehilfenhände
dazu herangezogen hat. Über diese Frage haben
innere Gründe das letzte Wort zu sprechen.

Ich habe in meiner Arbeit über Fra Ange-
lico auf Grund eingehender Untersuchung
die Ansicht verteidigt, daß an beiden Werken
Schülerhände beteiligt sind. Die berufensten
Angelicoforscher haben bisher meines Wissens
dazu geschwiegen; andere haben wenigstens
im allgemeinen ernsthaft dazu Stellung ge-
nommen, minder Berufene haben sich zum
Teil recht absprechend geäußert. Das pflegt
ja wohl immer so zu sein. Ich hatte nicht
erwartet, daß meine Ergebnisse sofort An-
erkennung finden würden. Aber ich hatte
auf eine ernste Nachprüfung gerechnet. Da
sie bisher von maßgebenderer Seite nicht
erfolgt oder wenigstens nicht publiziert ist,
beschloß ich, selbst eine neuerliche Nach-
prüfung vorzunehmen. Das Ergebnis will ich,
soweit die genannten zwei Werke in Betracht
kommen, hier mitteilen.

Ich will nun gleich mit einer Klarlegung
beginnen, die einer gegenseitigen Verständigung
förderlich sein kann. Man kann in Rücksicht
auf unsere zwei Werke folgendermaßen argu-
mentieren : Da die Madonna dei Linajuoli
urkundlich für Angelico bezeugt ist, ist anzu-
nehmen, daß der Meister selbst wenigstens die
Hauptsache daran, die Madonna mit dem
Kinde, eigenhändig ausgeführt hat. Die Krönung
aber zeigt offenkundig dieselbe ausführende
Hand und steht künstlerisch sogar höher. Sie
muß also durchaus als eigenhändiges Werk
des Meisters angesprochen werden.

Ich gestehe nun die Verwandtschaft der
ausführenden Hand, wenn man will, auch
ihre Identität für das Mittelbild des Altar-
werkes und für die Krönung zu. Ich bin
außerdem überzeugt, daß die beiden Schöp-

fungen auch zeitlich nicht weit voneinander
abstehen, was die Bewegungsmotive der Engel
hier und dort und deren völlig gleiche rhythmisch-
lebendige Erfassung schon dartun könnten.
Für dies Geständnis erwarte ich allerdings von
allen Seiten ein anderes: nämlich daß die
ausführende Hand in der Predella des Lina-
juoli-Werkes unbedingt eine andere ist als die
des Tabernakels. Es ist eigentlich eine Schande,
daß man eine solche Roheit der Farbe, wie
sie in diesem krassen Rot und Blau zutage
tritt, so lange einem Künstler zutrauen mochte,
der in allen Perioden sich als ein fein emp-
findender Kolorist erwiesen hat. Es ist das
nur ein Zeichen dafür, daß man wirklich von
Angelico sich kein Bild zu machen wußte.
Doch solche Selbstverständlichkeiten sollen
uns hier nicht beschäftigen.

Trotz meines Zugeständnisses bleibt für
mich aber doch ein Rätsel. Man kann näm-
lich die gemachte Voraussetzung, wonach ein
vertragschließender Meister der ersten Hälfte
des Quattrocento auch für den Fall, daß
nichts davon ausdrücklich ausbedungen war,
zur eigenhändigen Ausführung der Haupt-
figuren verpflichtet sein sollte, einfach nicht
beweisen. Nun darf das Werk selbst sprechen.
Und dieses widerspricht sich. Ich mag das
nicht mehr im einzelnen ausführen. Ich stelle
nur einen Engel aus dem Rahmen neben das
Jesuskind aus dem Mittelstück (man verzeihe
den harten Ausschnitt). Wer hier nicht den
Unterschied zwischen einem frei und original
waltenden künstlerischen Vermögen, das Leben,
Körper und Bewegung in leichter Schönheit
und edlem Rhythmus meistert, und der all-
seitigen, steifen Gebundenheit in dem Bambino
empfindet, der dürfte wohl auf die Stilkritik
überhaupt recht wenig Wert legen. Was für
ein Unterschied zwischen dem Engel und dem
Kind auch in der Qualität der Zeichnung!
Offenbar hat der ausführende Gehilfe die Zeich-
nung des Meisters schlecht verstanden und
übertragen. Aber auch die Art der Aus-
führung ist durchaus verschieden. Das läßt
sich allerdings ganz nur vor den Originalen
ersehen, wobei der besonders bei den Engeln
nicht tadellose Erhaltungszustand mit zu be-
rücksichtigen ist. Soviel aber ist ersichtlich,
daß der Maler unseres Engels seinen Pinsel
 
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