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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Steffen, Hugo: Kurfürst Kardinal Albertus und seine Bauten in Halle a. d. S.
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Tepe, Alfred: Malerisch, [1]: Eine entwicklungsgeschichtliche Kunststudie
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0193

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341

1911. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTUCHE KUNST — Nr. 11-

342

I

nachdem sie wieder aufgebaut waren, äußerlich
mit starken Strebepfeilern stützte. Sehr male-
risch und auf einen Gefühlsmenschen großen
Eindruck machend, ist ein Leichenbegängnis
daselbst. Unter Glockengeläute tragen die
Halloren in ihrer uralten, eigenartigen Tracht
den Sarg nach dem Gottesacker herauf, an
dessen Eingange die Kurrende, ein Singechor
von jungen Leuten, den Leichenzug empfängt
und nach der Gruft geleitet. Etliche Halloren
mit Zitronen in der Hand gehen stumm dem
Trauerzuge voran, der von der untengelegenen
Stadt den Berg hinanzieht; die Sänger be-
ginnen einen feierlichen Choral, in welchem
sich die dumpfen Glockentöne mischen. Bei
solch einem Begräbnis gestalten sich wahrlich
die Dichterworte zur Wahrheit: „Droben bringt
man sie zu Grabe, die gefreut sich in dem
Tal.-' Früher wurden die Bögen, nachdem
man die Särge in die Gruft gesenkt hatte, mit
prächtigen, eisernen Gittern verschlossen,
welche leider bis auf wenige, der Barockzeit
angehörige, verschwunden sind. Bemerkens-
werte, eine Künstlerhand verratende Orna-
mente sind unter den Wappen, welche den
Schlußstein in den Segmentbögen bilden,
ebenso in den Zwickeln und Pilasterfüllungen
eingehauen. Aus den verschiedenen Stein-
metzzeichen sieht man, daß Hofemann viele
Gesellen beschäftigte. Er selbst ist durch
sein Porträt am Eingange mit dem Zirkel in

der Hand verewigt, worunter zu lesen ist:
,,Nikel Hofemann, Steinmetzmeisler dieser Bau-
werke."

Bis in die Vierziger Jahre noch war sein
Standbild auf dem Grabhügel zu sehen, so
auch die Särge in den Grüften, die jetzt auf Be-
stimmung des Rates vermauert oder mit Erde
verschüttet sind.

Die übrigen Gebäude, die der Kardinal
ausführen ließ, sind längst verschwunden. Zu
ihnen gehörte ein umfangreiches Krankenhaus,
das schon 1760 abgebrochen wurde.

Doch nicht nur in Halle allein, auch in
den sächsischen Landen und darüber hinaus
machte sich der Einfluß des großen Kirchen-
fürsten und Mäzens in künstlerischer Be-
ziehung geltend. Was er in seiner Residenz-
stadt schuf, mit welchem weitblickenden Ver-
ständnis er vor allem die neuen Renaissance-
formen zur Einführung brachte, war vorbildlich
zu nennen.

Eine Herrschernatur, Glanz und Pracht um
sich verbreitend, wurden seine Verdienste, wie
es so oft geschieht, bei Lebzeiten nicht in
gebührender Weise anerkannt; erst die spä-
tere Generation trug den Nutzen davon und
ließ auch der markanten Persönlichkeit des in
jungen Jahren zu hoher Machtstellung ge-
langten Brandenburgischen Prinzen die rechte
Würdigung zuteil werden.

München. Hugo Steffen.

Malerisch.

Eine entwicklungsgeschichtlichft Kunststudie.
(Mit b Abbildungen.)

I.

gibt gar viel in unserer hoch-
zivilisierten Welt, was dem Nerven-
system nicht gut bekommt. Wer
sich dem ursprünglichen Jäger-,
oder Ackerstand entrissen, er muß
Er vertauschte die Natur mit
oder Bureau, den Atem
und Aktenstaub,

der
die
den

Hirten-
es büßen.
Studierstube
Winde mit Ofenluft
gesunden Gedanken mit Quengeleien,
Glauben mit windigen Hypothesen, den ge-
sunden Magen mit chronischem Katarrh,
Stockadern und Hämorrhoiden.

Von Kämpfen, Sorgen und Arger nett
zugerichtet, kommt der blutleere Mensch aus
der Stadt und kehrt zur heimischen Flur
zurück, um zu versuchen, ob ihre verjüngende

Kraft selbst noch seine abgetakelte Kon-
stitution wieder auffrischen kann. „Was hat
man dir, du armer Kerl getan ?" Aus Freundes-
mund tönt ihm diese Frage entgegen, und er
darf seinem Herzen wenigstens Luft machen,
was bekanntlich die erste Linderung ver-
schafft.

Der ländliche Freund mit gebräunten
Wangen, hellen Augen und dem Stummel
zwischen den Zähnen betrachtet ihn halb
spöttisch, halb mitleidig. Er wird ihm eine
Kur verschreiben, eine Radikalkur. — „Kerl,
du kommst wie gerufen; die schöne W.'sche
Polderjagd soll verpachtet werden. Wir
reflektieren darauf und könnten noch gut
einen Teilhaber brauchen, dir und uns wäre
geholfen."
 
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