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Zeitschrift für christliche Kunst — 29.1916

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Klingelschmitt, Franz Theodor: Mainzer Seidensticker am Ende des Mittelalters
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https://doi.org/10.11588/diglit.4343#0140

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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 8

„finstere" Zeit kannte sogar Lehrerinnen und Ärztinnen! —, so kann Metze
Leddelyn eine selbständige Unternehmerin, aber auch die Witwe eines Seiden-
stickers gewesen sein.

Von der Tochter eines Seidenstickers gibt uns das von mir entdeckte Bruder-
schaftsbuch der Dreifaltigkeitsbruderschaft in St. Stephan zu Mainz Nachricht.
Es führt unter den von 1493—1505 in die Bruderschaft gekommenen Personen
f. 8b „cryst dyn jakop syden steckerß docher" auf. Damit lernen wir aus der Spät-
zeit einen vierten Seidensticker in der mittelrheinischen Zentrale kennen. Die
Frage liegt nahe, ob er mit einem der ohne Angabe ihres Gewerbes im Zunftbuch
genannten Männer zu identifizieren ist. Dessen Liste kennt nur einen Träger des
Namens Jakob. Es ist „Jakob strefft", der die Liste eröffnet, und bei dem das
Handwerk, das er betrieb, nicht beigefügt ist. Unmöglich ist es also nicht, daß er
der Vater jener „Christine" ist. Und wenn diese Mitglied der Dreifaltigkeits-
bruderschaft in St. Stephan ist, so ist es auch nicht ausgeschlossen, daß wir in ihrem
Vater den Schöpfer der spätestgotischen Meßgewänder in dieser Kirche zu er-
blicken haben15.

Doch wie dem auch sei, sicher ist, daß es in Mainz im XV. Jahrh. Spezialisten
der Seidenstickerei gegeben hat, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß sie schon
im XIV. vorhanden waren. Angesichts des Umstandes, daß in Mainz und mit dieser
Stadt in Beziehung stehenden Orten des Mittelrheins auch heute noch eine ganze
Anzahl von Seidenstickereien sich erhalten hat, die den Stempel ihrer Herkunft
unverkennbar tragen, wird man in ihnen zunächst Erzeugnisse dieser Mainzer
Kunsthandwerker erblicken dürfen. Damit gewinnt das Bild, das uns die Forschung
von dem Kunstgewerbe der Stadt Mainz im Mittelalter gegeben hat, einen neuen
wichtigen Zug. Neben die schon von Schneider erkannte Goldschmiedekunst,
den von Falk, Schrohe und mir durchforschten bedeutenden Erzguß, die von
Betty Kurth vermutete hervorragende Bildwirkerei und die von mir erstmalig
festgestellte Waffenschmiedekunst tritt nun die hochentwickelte Kunststickerei.
Die für sie meines Erachtens charakteristischsten Werke seien anhangsweise hier vor-
läufig zusammengestellt. Sie sind großen Teils hier erst ans Licht gezogen. Es sind:

Mainz, St. Christoph:16

1. Kaselkreuz. Christus an glattem Kreuz, worunter links Maria mit klagend erho-
benen Händen, rechts Johannes mit gefalteten. Oben Ecce homo. Links Christus mit
Pilatus, rechts vier Juden. Außen links Dornenkrönung, rechts Kreuztragung. Unten
Christus vor Kaiphas. Darunter in gotischen Minuskeln gestickt ,,o crux ave .

2. Desgl. Christus an mit zahlreichen Aststümpfen besetztem Kreuz, worunter
links Maria mit gekreuzten Händen. Hinter ihr erscheinen die Köpfe zweier frommer
Frauen. Rechts steht mit klagend erhobenen Händen Johannes, hinter dem der zum
Kreuz hinaufblickende Hauptmann sichtbar wird. Oben Gottvater in Halbfigur. Außen
links St. Stephanus, rechts St. Laurentius ebenso. Unten St. Georg. (Dieser doch wohl
ursprünglich in ganzer Figur?)

3. Im Besitz des Herrn Antiquitätenhändlers Georg Haas. Desgl. das Kreuz und die
Figuren zu seinen Füßen wie bei 2. Oben St. Agnes in Halbfigur. Außen links St. Katha-
rina, rechts St. Barbara ebenso. Unten abgeschnitten.

15 Die Mainzer Künstler dieser Zeit pflegten mit ihren zeitlichen Auftraggebern meist
auch religiöse Verbindungen einzugehen. Vgl. des Verfassers „Georg Krafft, ein Mainzer
Erzgießer des ausgehenden Mittelalters". -- Mainzer Zeitschrift V, S. 47.

16 Nicht bei Bockenheimer, „Die St. Christophskirche zu Mainz". Mainz 1881.
Auch nicht in N e e b s „Führer", der die Kirche überhaupt nur erwähnt, und bei D e h i o!
 
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