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Zeitschrift für christliche Kunst — 31.1918

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Nüttgens, Heinrich: Das geistige Schaffen des Malers
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https://doi.org/10.11588/diglit.4276#0021

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Nr. 2 ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. \

DAS GEISTIGE SCHAFFEN
DES MALERS.

(Mit Tafel II u. 4 Abbildungen.)

Die einzige Aufgabe des Malers, so künden laut Kunstschriftsteller und
Künstler, sei, gut zu malen : die treue Wiedergabe der Natur. Impressio-
nismus; die Idee sei Nebensache. — In schärfstem Gegensatz dazu
erschallt der Schlachtruf, solches Kunstscharfen sei die Ausgeburt des Mittel-
standes, der kleinen Hirne, ihre Vertreter erniedrigten sich zum Grammophon
der äußeren Welt, und wie die Vorwürfe alle lauten mögen. Auf die Wieder-
gabe eines inneren Schauens komme es an (Visionsmalerei — Vexierbilder); so
melden noch vernehmlicher die Vertreter des Expressionismus.

Weder die eine noch die andere dieser einseitigen Forderungen wird ein denken-
der und empfindender Künstler sich aufnötigen, daher auch nicht leicht sich
bestimmen lassen, unbestellte Bilder auszustellen mit der Aufgabe, durch Be-
sonderheiten aufzufallen; der übermäßig betonte Selbstzweck eines Kunstwerks
wird von selbst zur Täuschung. Denn die Kunst darf nicht darauf verzichten,
ein dienendes Glied, ein erhabenes Wertstück zu sein im heimischen Volkstum.
Ihre Aufgabe ist und bleibt, muß daher wieder werden, ideale Kräfte zu ver-
körpern, durch ihre schmückende Kraft geistige Anregung zu bieten, höhere
Empfindungen zu wecken.

Unserer akademischen Kunstausbildung wird vielfach mit Unrecht vorge-
worfen, daß sie zu lang und zu stark festhalte an der alten Gepflogenheit, die
einzelnen Zeichnen- und Malklassen durchzumachen, ohne entsprechenden Nutzen
und in einer Art von Zeitvergeudung. Bei diesen Vorwürfen wird zu wenig be-
dacht, daß die jungen Leute zumeist mit sehr hochgespannten Anschauungen
an den Beruf herantreten, wobei Figurenbilder, historische und andere, ihnen
vorschweben, ohne daß für die Erreichbarkeit solcher Träume irgendwelche An-
haltspunkte vorliegen, wie sie erst allmählich in längerem Studium zu gewinnen
sind. Immerhin wäre es wünschenswert, daß schon in den ersten Jahren des
Studiums eine Kompositionsklasse eingelegt würde, zur Entwicklung der Fähig-
keit für das Entwerfen figuraler Darstellungen bei Aufgabe einer bestimmten
Idee und eines besonderen Zweckes der Raumausschmückung. Solche Arbeiten
würden das geistige Interesse steigern, die freie Zeit ausfüllen, die besonderen,
etwa noch schlummernden Anlagen entwickeln, namentlich auch dem Lehrer
das beste Mittel bieten, den Schüler in seiner Eigenart der Veranlagung kennen
zu lernen und zu deren Ausbildung zu ermuntern. Freilich würde die Leitung
einer solchen Kompositionsklasse hohe Anforderungen an den Lehrer stellen.
Wie im ganzen modernen Leben die Achtung vor den Leistungen eines Meisters
durch Tagesmeinungen leicht beeinflußt und ins Wanken gebracht sind, so
ist auch dessen Interesse und Obsorge für den Schüler mannigfach erlahmt, daher
auch in der Meisterklasse nicht mehr das alte gute Verhältnis vorherrschend.
Auch der nicht selten knappe, zu kleine Altersunterschied zwischen Meister und
Lehrling hat, zumal im Bunde mit so vielen Gegensätzen der Kunstanschauungen,
das gegenseitige Verstehen sehr erschwert, so daß auch aus diesem Grunde die
Einpassung einer Kompositionsklasse als Mittel der Verständigung sich bewähren
 
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