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Zeitschrift für christliche Kunst — 32.1919

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Witte, Fritz: Die Erziehung des Klerus zur Kunst: Ein Betrag zum Probleme "katholischer Kulturwille"
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https://doi.org/10.11588/diglit.4306#0030

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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 2

frischen, fröhlichen Tun ! Es gilt auch hier im wahrsten Sinne des Wortes: Crux
ave, spes unica! Die Kunst, die am Fuße des Kreuzes wächst, die an ihm empor
sich rankt, sie soll und muß und wird die Führerm wieder werden, wenn der
Klerus will, wenn er ihre Notwendigkeit und ihren Wert erkennt. Fort mit dem
Vorurteil, fort auch mit hohlen knöchernen Traditionen des Nachplapperns
von Stilen entschwundener Jahrhunderte mit erborgten Seelen! Unsere eigene
Zeit soll die Worte finden, glänzende, glühende Worte, in die sie ihr religiöses
Fühlen und Denken und Sehnen kleidet. Die ganze tiefe Frömmigkeit, die Hoch
und Niedrig gerade jetzt in den Tagen der höchsten Seelennot erfaßt, sie will
nach draußen, sie will ihre Existenzurkunde für kommende Jahrhunderte schreiben
in den Werken der kirchlichen, der christlichen Kunst, stark und glänzend und
packend, eine Ehrenurkunde für unsere Tage!

Das Gefühl für die Notwendigkeit einer künstlerischen Erziehung des Klerus
ist längst wach. Es bedurfte nur einiger Zeilen über dieses Thema in unserer
führenden Tageszeitung, um aus den Reihen des Klerus und der Laienwelt eine
Menge von zustimmenden Zuschriften an den Verfasser gelangen zu lassen, dar-
unter solche von betagten Pfarrern, von jungen, von Idealen getragenen Priestern
und besonders viele von den Rehgionslehrern unserer höheren Schulen. Und
alle die Zuschriften fragen, nachdem sie ehrlich als Ergebnis einer Gewissens-
erforschung die Lücke in der Ausbildung eines die Zeichen und Bedürfnisse
der Zeit erkennenden Geistlichen gebeichtet, sie fragen alle nach dem Wie?

Sollen wir Vereine gründen? Ich bin erklärter Gegner von Vereinen, die
Zahlungen einziehen, Jahresberichte schreiben und möglichst große Vorstände
bilden. Die Vorstandsmitglieder sind meistens auch die Gründer, welche die
Ernennungsurkunde am Gründungsabend in der Tasche mitbringen. Es gibt
Leute, die nicht genug Vereinsvorständen angehören können, die diese Zuge-
hörigkeit als eine Ehrensache ansehen, nicht aber die Arbeit, die praktische Ar-
beit; und ohne diese sind Vereine tot geboren. Christliche Kunstvereine haben
wir eine stattliche Anzahl; sie mögen alle aus allerbesten Absichten erwachsen
sein; nach einigen Jahren des Bestehens aber geht zumeist das Zepter über in
die Hände des — Klüngels. Hier handelt es sich darum, offen die Wahrheit zu
sagen in wichtigen aktuellen Dingen, und da wird auch ein sonst plattes Wort
hoffähig und parlamentarisch. Mit Rücksichtsmeierei ist nichts getan, mit Offen-
heit und Ehrlichkeit, die einzig vor der Autorität Halt macht, aber alles. Und
das soll und muß in diesen Blättern Programm sein. Solange geschäftsmäßige
Rücksichten, oder solche auf öffentliche Stellung und Rang mitbestimmend
sind bei der Wahl von Vorständen solcher Vereine, solange sind diese auch zur
Erfolglosigkeit verurteilt. An ihre Spitze gehören die Männer, welche arbeiten
können und arbeiten wollen. Glaubt man Rücksichten üben zu müssen, einer
beliebigen Erweiterung der Ehren-Vorstandsmitglieder steht ja nichts im Wege.
Wenn irgendwo, dann gehört zur erfolgreichen Arbeit in künstlerischen Dingen
neben umfassendem Verständnis auch Temperament und — Selbstlosigkeit.
Das sollten alle alten Herren, denen die Füße müde geworden, sich sagen und
dem Platz machen, der an ihrer Stelle zu arbeiten bereit und imstande ist, und
sei er der jüngste Kaplan. Das „honoris causa" ist nicht ohne weiteres eine Legi-
timation für Leistungsfähigkeit, wohl aber öfters eine Arbeit und Leben hem-
mende Bremse.
 
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