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Zeitschrift für christliche Kunst — 32.1919

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Witte, Fritz: Die Reste eines Tragaltares vom Meister Rogerus aus dem Anfange des XII. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4306#0167

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150 ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 10/11

die unsngen, deren Laubwerkumrandung abgeschnitten worden ist. Sie ent-
stammen dem Besitze der Kgl. Kunstkammer. Schwarzenski hat sie seinerzeit ver-
öffentlicht nach Abreibungen, die im Städelschen Institut in Frankfurt aufbewahrt
werden und von einem Sammler von Kupferstichen herrühren. Passavant er-
wähnt, daß diese Platten von einem zerstörten Tragaltar in Iburg bei Osnabrück
stammen. Aus eben diesem Orte stammen auch unsere Fragmente, und es liegt
die Vermutung nahe, daß somit die vollständige Bekleidung des Tragaltares an
den Längs- und Schmalseiten wiedergefunden ist. Allem Anscheine nach wäre
also dieser Tragaltar von verhältnismäßig einfacher Form gewesen: die Schmal-
und Langseiten waren geschmückt mit diesen in Metallrahmen gefaßten Platten;
der Deckel trug in der Mitte den Altarstein, zu dessen Seiten vielleicht die Rosetten
angebracht waren, der selbst eingefaßt wurde von Metallstreifen, die in getriebenen
Majuskeln die Namen der dargestellten Heiligen aufwiesen.

Als Entstehungszeit der gravierten Platten dürfen wir die Jahre um 1120
ansetzen.

Mit den besprochenen Platten waren auch noch mehrere 2 cm breite Email-
streifen auf die alten Eichenholzbretter aufmontiert, sowie sechs hochstehende
Rundbüchsen mit durchbrochenen Deckeln in Fischblasenornament. Die Email-
streifen sind verschiedenen Alters und Herkunft. Zum Teil gehören sie der Werk-
statt von St. Pantaleon, Köln, an, zum Teil entstammen sie den Werkstätten von
Limoges. Ein Streifenpaar hebt sich durch die Art des Schmelzes wie durch
die Ornamentierung aus der Gruppe heraus und ist mangels bislang veröffentlich-
ten Vergleichsmatenals schwer zu bestimmen. Es soll später an dieser Stelle
einer eingehenden Besprechung unterzogen werden.

Treten noch weitere Rogerusfunde zu den bisheran gemachten hinzu, so
wird es bald möglich sein, das gesamte Lebenswerk des Meisters zu über-
blicken und geschlossen zu würdigen. Es wird das Bild eines ganz ungeheuer
fleißigen und begabten Künstlers abgeben, der für die Fortentwicklung des
Stiles seiner Zeit und seiner Nachfolger von einschneidender, wegweisender
Bedeutung geworden ist.

Der Fund selbst, an verlorener Stelle einer Kirche gemacht, ist an sich auch
lehrreich für unseren Klerus. Allerorts fast liegen große und kleine Kunstschätze
verborgen und verworfen, die, ans Tageslicht gezogen, für die Forschung wie
für die religiöse Zeitkunst von Bedeutung sind. Es gilt, diese kostbaren Reliquien
aus ihrer unwürdigen Verborgenheit zu heben und der Öffentlichkeit dienstbar
zu machen. Wohin sie gehören, sagt diese Sonderabhandlung über das Osna-
brücker Diözesanmuseum. Der Kirchenfürst, dessen Namen diese Schrift an
ihrer Stirne trägt, sagte es seinem Klerus in der warmen Eröffnungsrede im Jahre
1918. Witte.
 
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