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Zeitschrift für christliche Kunst — 34.1921

DOI Heft:
Heft 1- 3
DOI Artikel:
Witte, Fritz: Zur Einführung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4344#0012

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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 1-3

ZUR EINFÜHRUNG.

Zum zweitenmal traten, diesesmal in Köln, vom 26. bis 29. September
die für christliche Kunst interessierten Männer zusammen, um über die
Zukunft eines heute hochbedeutsamen Zweiges religiöser Kultur zu be-
raten. Überaus fruchtbar ist diese sehr stark besuchte Tagung gewesen. In ebenso
sachlicher wie friedlicher Form trat man an die bedeutsamsten Probleme heran.

Diese Tagung bildmäßig zu begleiten und zugleich Künstlern wie Kunst-
freunden Gelegenheit zum Studium und Vergleich zu bieten, wurde in den
oberen Räumen des Schnütgen-Museums eine Ausstellung alter wie neuer Kunst
zusammengetragen.

Der Kosmos der Kunst umfaßt Reiche, in denen Zeit und Raum ihre eigene
Messung fordern. Deshalb bedeutet er leider für so viele ein Reich der Ge-
heimnisse; deshalb, weil der uralte Kontakt zwischen Kunst und Leben ver-
loren ging, weil wir heute nicht mehr die große Gemeinschaftskunst von einst
haben. Wie stark die Durchsetzung der alten Kulturen mit der Zeitkunst war,
soll die retrospektive Ausstellung zeigen, sie soll den Finger nachdrücklich legen
auf das Wort Religion und das Goethewort erneut bestätigen: die Menschen
sind nur so lange produktiv in Wissenschaft und Kunst, als sie religiös sind. Es
sind zum großen Teile Dornröschen der Kunst, zum Teil seit langem in licht-
losen Räumen von Kirchen und Pfarrhäusern, zum Teil sogar in Rumpelkammern
geborgen. Gerade diese an Qualität fast nicht zu überbietenden Dinge machen
uns beschämt und sind wie Ankläger, daß uns der Herzschlag religiöser Ergriffen-
heit verloren ging, aus dem allein die große Gemeinschaftskunst mit ihrer sieg-
reichen Gebärde geboren wird.

Doch, was im Alten lebt, schlummert auch heute noch in uns; es ist latent,
gebunden, gefesselt, geknechtet: das religiöse Bedürfnis, der Schrei des Sehnens
in Menschenseelen nach dem Urgrund des Glückes, Friedens, der Schönheit, der
Wahrheit: nach Gott. Daß dieses Sehnen niemals stirbt, daß es heute gerade
viel stärker denn seit langem nach außen drängt, in künstlerische Formen sich
umsetzt, zeigt die fast ausschließlich auf rheinische, speziell Kölner Künstler sich
beschränkende Ausstellung der Jungen von heute. Neben den Konservativen
und den Eklektikern gehen da einher die drängenden Talente, die, welche aus
ihrem Überschuß an religiösen Ideen abgeben müssen. Sie packen uns an reißen
uns von stolzen Höhen nieder in den Jammer der Passion, reißen uns aber auch
empor zum frohen Ostermorgenjubel, führen uns andächtig vor das Gnadenbild
der Gottesmutter, sprechen zu uns im mystischen Geflimmer körperlosen Glases,
im Funkeln matenalecht ausgenutzten Goldes.

Das ist sicher: das Gefühl der Schwäche der hinter uns liegenden Jahrzehnte,
die Ohnmacht, von eigener Zeit eigenem Gotteserleben ein Bild zu geben, sie ist
überwunden, das Bekenntnis zur Religion ist da bei den Künstlern, Inbrunst
tritt an die Stelle starrer, lebloser Gewohnheit und tatenlosen Mitläufertums. Die
„Form der Formen" ist eine ganz andere geworden, etwas reichlich individuell,
aber sie steigt hervor nicht mehr aus den Musterbüchern der Kunstgeschichte,
sondern aus jenem Heihgtume, wo, still wie ein Ewiges Licht vor den Altären,
der Abglanz köstlicher Gottesebenbildlichkeit noch brennt, aus der tiefen Seele.
— Heil uns! Auch der Persönlichkeitsstil wird mehr und mehr zurücktreten,
 
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