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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 3.1909/​10

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Dehio, Georg: Zur Geschichte der gotischen Rezeption in Deutschland: die polygonalen Chöre
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https://doi.org/10.11588/diglit.22223#0063

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III. Jahrgang. Heft 3. Dezember 1909.

Zur Geschichte der gotischen Rezeption in
Deutschland. Die polygonalen Chöre.

Von G. Dehio.

Es wird gelehrt: Eines der Unterscheidungsmerkmale zwischen romanischem und
gotischem Stil ist, daß jener den Chorschluß als Halbkreis, dieser aus dem Polygon
bildet; die Gotik kam nach Deutsehland aus Nordfrankreich; folglich hegt, wo ein poly-
gonaler Chor begegnet, eine Ubergangserscheinung und eine irgendwie vermittelte Ein-
wirkung Nordfrankreichs vor.

Diese Sätze scheinen ohne weiteres einleuchtend zu sein, gleichwohl bedürfen sie
der Revision.

Zunächst die Vorfrage: was ist die Geschichte des Polygonalchors in Nordfrank-
reich selbst? Man findet es leicht verständlich, den logischen Auseinandersetzungen
Viollet-le-Ducs folgend, daß der Polygonalchor als eine Folge des Rippengewölbes sich
notwendig einstellen mußte. Aber die meisten unserer Architekturschriftsteller haben
nicht bemerkt, wie spät dies in Wirklichkeit eingetreten ist. Alle frühgotischen Chöre
der eigentlich französischen Schule, von S. Denis, Laon, Noyon bis herab auf Bourges
und Tours, konstruieren unentwegt aus dem Halbkreis. Erst die Kathedrale von
Chartres (um 1200), mit der die Entwicklung fast in allen Punkten neue Bahnen betritt,
geht zum Polygon über, während sogar die Kathedrale von Rheims (1210) noch mit
dem Halbkreis begann. Vor Chartres haben nur die Kirchen von Vezelay und Montier-
en-Der mit dem Polygon (aber noch immer vermischt mit Kreiskurven) zu experimen-
tieren begonnen. Diese aber gehören nicht strikt zur französischen Schule, sondern sind
nordburgundisch. Möglicherweise etwas früher als die großen Kirchen haben einige
Landkirchen mit einfachen, umganglosen Apsiden die polygonale Brechung angewendet,
doch ist es hier schwer, zu festen Daten zu kommen, da in dieser Denkmälerklasse der
Stil meistens retardiert.

Zeitschrift für Geschichte der Architektur. III.

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