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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

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Stiehl, Otto: Das Rathaus zu Frankfurt an der Oder
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https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0120
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.stabsteine, welche die Fensteröffnungen des Hauptgeschosses umzogen, hatten schwarze
Farbe. So entstand mit äußerst einfachen Mitteln eine lebhaft gesteigerte Wirkung des
ganzen Baues. Insbesondere in der Belebung der mächtigen Lisenen ist der Eindruck des
Werkes wesentlich durch diese farbige Behandlung bedingt, und man kann sie sich nicht
fortdenken, ohne den Sinn des ganzen Entwurfes sehr ungünstig zu verdunkeln.1

Die Zeitstellung unseres Giebels und damit des ganzen einheitlichen Rathaus-
baues zu bestimmen, fehlt es uns zwar an urkundlichen Belägen, doch bietet die
Formgebung uns Anhaltspunkte zu Schlüssen von großer Wahrscheinlichkeit. Aus
der großzügigen Anlage des Ganzen spricht der Geist einer rauhen Ursprünglichkeit,
die Zeichnung und auch die Ausführungsweise der großen Rosen deuten auf die
früheste Zeit des gotischen Stils. Bestätigt finden wir diesen Eindruck darin, daß
sich starke Anklänge an die Ausbildung unseres Giebels an Teilen der Marienkirche
finden, die wir, wie oben bemerkt, in das erste Drittel des 14. Jahrhunderts setzen
müssen. Hier endete das nördliche Querschiff ursprünglich mit geradem Abschluß.
Nicht lange nach seiner Fertigstellung, d. h. in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts,
wurde dieser aber in voller Breite und Höhe durch den Anbau einer gewölbten Kapelle
verdeckt, und so ist uns im Dachboden des Anbaues die Architektur des Giebelab-
schlusses im Zustand der Erbauungszeit wohlerhalten geblieben. Dieser Giebel, den
Adler nach einer allerdings nur flüchtigen Aufnahme abbildet2, 'Zeigt ganz ähnliche
Gliederung der Strebepfeiler durch Maßwerkfriese, wie unser Giebel, die gleiche Art
der Bogenteilung im Maßwerk mit unbenutzt liegengebliebenen. Mittelpfosten und die
gleiche Linienführung der mit senkrechten Schenkeln herabgezogenen Giebelum-
rahmung. Dazu ist an ihm nach ganz gleichen Grundsätzen, wie am Rathause, die
Gliederung durch weiße und schwarze Farbe hervorgehoben, selbst die einfache Be-

1 Für die Wiederherstellung solcher farbig gedachter alter Bauten ergeben sich sehr bedeutende
Schwierigkeiten daraus, daß unser heutiges Gefühl einen gleichmäßigen Anstrich von Steinflächen als Roheit
empfindet und wohl nicht ohne Grund, denn aus der farbloser gewordenen Umgebung unserer Zeit werden
sich solche, zu ihrer Zeit durchaus harmonisch gedachten Färbungen leicht fremd und aufdringlich absondern.
Unsere Zeit erblickt gerade in dem wechselnden Farbenspiel der allen Steine und ihrer durch Staub und
Verwitterung erzeugten «Patina» einen wesentlichen Reiz; in dem Eindruck dieser Züge will sie den Eindruck
des historisch Gewordenen, Altehrwürdigen, auf sich wirken lassen. Gegen diese gedämpften, fein schattierten
Töne kann natürlich auch die Gliederung der Einzelheiten nicht mit glattem, hartem Schwarz und Weiß
abgesetzt werden.

Gelöst wird diese Schwierigkeit in der Regel dadurch, daß man bei den meisten Wiederherstellungen
die noch vorhandenen Farbspuren durchaus, oder wenigstens bis auf etwaige Bemalung der Putzflächen,
beseitigt, ein Verfahren, das mir mehr bequem als billigenswert erscheint. Es unterdrückt regelmäßig einen
wesentlichen Bestandteil des wiederherzustellenden Kunstwerkes, in unserem Fall wäre der Sinn der ganzen
Komposition wesentlich dadurch beeinträchtigt worden. Ohne Kompromiß wird es in solchen Fällen, wie
häufig in künstlerischen Dingen, freilich nicht abgehen. In unserem Falle ist, wie ich glaube mit bestem
Erfolge, der Weg so gewählt worden, daß zur Grundlage der ganzen Farbenstimmung der Patinaton der alten
Backsteinflächen genommen wurde. In ihn w-urden auch alle Steine, welche als Ersatz für verwitterte und
zerfallene Stücke notgedrungenervveise erneuert werden mußten, mit Silikatfarbe lasierend hineingestimmt.
Schwarz und weiß wurde in ungebrochenem, starkem Ton, aber tupfend und nicht gleichmäßig aufgetragen
und schließlich noch durch Überarbeiten mit Drahtbürsten soweit wieder beseitigt, daß es sich, ohne seine
Rolle in der Gesamtheit zu verlieren, der feinen Wirkung der alten Backsteintöne einfügte.

Der ursprüngliche Putz der Blenden und seine alte Bemalung war nicht mehr erhalten. Sie sind
deshalb im allgemeinen glatt gelassen worden, nur die Giebelzwickel des Hauptgeschosses, welche neben
dem Beichtum der großen Rosen unbehaglich roh erschienen, sind mit. frei erfundenem Maßwerk kleinen
Maßstabes bemalt worden. — 2 Adler, a. a. O , S. 62.

0. Stiehl.
 
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