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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

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Klaiber, Hans: Über die Anfänge der Hallenkirche in Schwaben
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https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0269
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IV. Jahrgang. Heft 11/12. August/Septbr. 1911.

Über die Anfänge der Hallenkirche in Schwaben.

Von Hans Klaiber.

Die Entstehungsgeschichte der schwäbischen Hallenkirche darf mehr als ein nur lokal-
geschichtliches Interesse beanspruchen; zwar soll hier ihre kunstgeschichtliche Bedeutung
nicht in dem Sinn überschätzt werden, daß wir von ihrem ersten Auftreten an eine neue
Stil))eriode datieren. Dazu sind ihre positiven Merkmale doch nicht durchschlagend und
vor allem nicht konstant genug: man erinnere sich, welch diametral entgegengesetzte
Raumbildungen ein und dasselbe konstruktive Schema des Hallenbaues in der sächsischen
und in der bayerischen Schule hervorbrachte, und wie wenig überhaupt die von der
lokalen, kunstgeschichtlich nicht ausschlaggebenden Gruppe der Kirchen in den sächsischen
Bergmannstädten abstrahierten Züge in Grundrißbildung, Höhenentwicklung u. a. auf die
ganze süddeutsche, auch die fränkische und schwäbische Gruppe zutreffen. Wie wenig
künden die langgestreckten, hohen Hallenbauten in Landshut, München, Dinkelsbühl,
Nördlingen — um nur einige zu nennen — die Ersetzung des Vertikalismus durch die
Horizontale an, wie fern liegt ihnen die zentralisierende Tendenz der Saalkirche, und
wodurch sie sich zu Predigtkirchen vor anderen eignen sollen, ist vollends nicht einzu-
sehen. Denn das einzige Moment, das sich hierfür anführen ließe, das auffällige Dünner-
werden der Stützen, deren Querschnitt gelegentlich beängstigend reduziert wird, verfolgt
nicht den praktischen Zweck, den Durchblick auf die Kanzel zu erleichtern, sondern ent-
springt der Neigung zum virtuosen Spiel mit der Technik, die uns besonders aus der spät-
gotischen Turmbaukunst so wohl bekannt ist. ■ Ohne also zu bestreiten, daß auch in
gewissen positiven Leistungen des Hallenbaues sich der Geist der Zeit Avirkungsvoll aus-
gesprochen hat, möchten wir doch den Hauptnachdruck auf die negativen Merkmale legen,
die Abwendung von den höheren raumbildnerischen Interessen, die für den Dekorationsstil
der Spätgotik und deutschen Renaissance so charakteristisch ist. Denn einen Höhepunkt
der Raumkunst stellt die Tendenz, verschiedene Räume dadurch zusammenzuschmelzen,
dal.'i man sie in den Dimensionen gleichmacht, keinesfalls vor; vielmehr entfalten sich

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