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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

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https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0056
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lehrten vielleicht doch nicht so ganz unbekannt
geblieben sind. «Wie war die Lösung? Aus
den vorstehenden Angaben könnte sie versucht
werden» — lautet der überraschende Schluß, ob-
wohl man nach der anspruchsvollen Einleitung
mit Fug und Recht von ihm einen Vorschlag zur
Lösung erwarten sollte. Daß hier auch das
Opaion in der Nordhalle angezweifelt wird, das
sogar erhalten ist, geschieht vielleicht nur aus
Gewohnheit.

Der Artemistempel zu Magnesia a. M. wird
hier ausdrücklich als ungefähr gleichalterig mit
dem Tempel zu Priene bezeichnet (S. 416) und
in die Zeit von etwa 330—300 vor Chr. gesetzt.
Aus einer früheren Stelle (S. 331) heißt es da-
gegen richtig, er sei 100 Jahre jünger und 206
vor Chr. eingeweiht. Die ihn umgebende, aus
Bossenquadern ausgeführte Mauer mit viereckigen
Verteidigungstürmen, die sich an die Wälle der
Stadt anschloß, ist den Forschern bisher unbekannt
gewesen; wir erlauben uns daher zu vermuten,
daß hier eine Verwechselung mit der benach-
barten, hoch aufragenden byzantinischen Befesti-
gungsmauer vorliegt, die auch den Tempelbezirk
einschließt.

Das IX. Kapitel bringt zunächst eine Zusammen-
stellung der vorhandenen Tempeltypen, weiterhin
einige Einzelheiten der baulichen Anlagen und
handelt sodann von der Umgebung der Heilig-
tümer — von Altären, Schatzhäusern und Tempel-
bezirken. Der Wert dieses Abschnittes liegt darin,
daß er uns die verschiedenen Tempelanlagen und
ihre weitere Umgebung nicht als einzelne Gebilde,
sondern zusammenfassend von einem allgemeinen
Gesichtspunkt aus zeigt; auch was von den Größen-
abmessungen und Proportionen gesagt ist, wird
wohl allgemeinen Beifall finden. — Auf einzelne
Versehen, die hier vorkommen, ist schon früher
gelegentlich hingewiesen worden; hier sei nur
erwähnt, daß (S. 426) das Didymaion, entgegen
der Beschreibung (S. 415), wieder dreischiffig ge-
nannt wird. Wohl selten hat ein Bauwerk des
Altertums so viele Stadien der Erkenntnis durch-
gemacht wie dieser Apollotempel, und das letzte
Wort ist noch nicht gesprochen. Immerhin haben
bis auf weiteres die auf teilweisen Ausgrabungen
beruhenden Pläne von Rayet und Haussoullier als
die wichtigsten zu gelten, und im vorliegenden
Band ist der Grundriß (Abb. 381) bereits darauf-

hin geändert. Weshalb hier wieder zur Konjek-
tur der Dilettanti zurückgekehrt worden ist und
vom Mittelschiff sogar die Maße in Betracht ge-
zogen werden wie auch bei dem Artemision zu
Ephesos, wo darüber gleichfalls nichts Zuverläs-
siges bekannt ist, ist nicht recht verständlich.

Der Abschnitt über Theater und Odeen ist
jedenfalls der unerquicklichste im ganzen Werk,
infolge eben jener ergebnislosen Polemik, die auch
sonst dem Werte des Buches erheblichen Ab-
bruch tut. Die Beschreibung der erhaltenen Reste,
die nach unserer Meinung für die Zwecke dieses
Bandes das Wichtigste wäre, tritt ganz in den
Hintergrund, dagegen feiert die Polemik wahre
Orgien: natürlich handelt es sich hier wieder um
den Spielplatz der Schauspieler, und der Autor
bekämpft gleichermaßen beide bestehenden Haupt-
ansichten, meist in wenig sachlicher Weise: er
hat jedenfalls am wenigsten das Recht, jeman-
dem ein hartes Urteil gegen Andersgläubige vor-
zuwerfen (S. 475). Bedauerlich ist es, daß er
diesen Ton auch nicht einmal Forschern gegen-
über ändert, die nicht mehr unter den Lebenden
weilen, und deren Wirken uns noch frisch im
Gedächtnis steht. Nach dem Gesagten sollte man
erwarten, daß der Verfasser selbst eine positive
Erklärung für diese vielumstrittene Frage vorzu-
legen habe, aber es geschieht nichts dergleichen,
und man bleibt in völliger Ungewißheit zurück.

Nach einer allgemeinen Einleitung und der
Erklärung des griechischen Theaterschemas nach
Vitruv folgt eine Darstellung des Entwicklungs-
ganges des Theaters im Anschluß an das Werk
über das griechische Theater von Dörpfeld und
Reisch. Allmählich jedoch nimmt die Beschrei-
bung immer mehr den Ton der Kontroverse an,
und der Leser weiß schließlich nicht, ob oder
wieweit er diesen Entwicklungsgang akzeptieren
soll. — Auch bei der Besprechung der Reste
kommt der Verfasser immer wieder auf die «irri-
gen» Anschauungen seiner Gegner zurück, doch
können wir hier nicht auf alle diese Fragen näher
eingehen. Es sei hier nur bemerkt, daß der Er-
haltungszustand des Theaters zu Oropos nach der
Ausgrabung allerdings kaum anders als außer-
gewöhnlich gut bezeichnet werden kann, wenn
wir den Zustand in Betracht ziehen, in dem nur
andere Theatergebäude erhalten sind, und daß
das vollständige Fehlen von Silzstufen sehr wohl
 
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