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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 1.1897-1899

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3. Heft
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3. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

So bescheiden die besprochene Monographie auch
ihrem Umfange nach ist, so erwarb sich doch mit ihr
Buttin ein neues Verdienst um die historische Waffen-
kunde, welches um so höher zu veranschlagen ist, als er
diesmal einen Streifzug in ein recht abgelegenes, wenig
beachtetes Gebiet unternahm, welches dem Culturbistori-
ker noch reiche Ausbeute verspricht. Dr. Potier.
Wendelin Boeheim. Meister der Waffen-
schmiedekunst vom XIV. bis ins XVIII. Jahr-
hundert. Berlin 1897, Möser’sche Hofbuchhandlung.
«Sowohl in den barbarischen Zeiten wie in den Pe-
rioden der Civilisationsblüthe war die Zunft der Waffen-
schmiede das Asyl und die Pflanzstätte der Künste. Die
höchsten Talente sind ihr entwachsen und verschmähten
es nicht, für sie zu wirken.»
Mit diesen vor mehr als 25 Jahren ausgesprochenen
Worten Gottfried Semper’s schliesst Director Wendelin
Boeheim, der Vorstand der Wiener kaiserlichen Wafifen-
sammlungen, die Einleitung seines Buches^über die Meister
der Waffenschmiedekunst. Vor sieben Jahren beschenkte
er die Kunstgeschichte mit dem «Handbuch der Waffen-
kunde», das seitdem zu einer Art von Reglement für die-
ses bisher stark vernachlässigte Gebiet geworden ist; jetzt
hat er uns in dem neuen Buche eine neue Frucht lang-
jähriger Studien gegeben, und was er bietet, ist in derThat
ein vollwichtiger Beweis für jene Eingangs citirten Worte
des grössten Kunsttheoretikers und Baumeisters der Neu-
zeit.
Das trefflich gedruckte, mit Abbildungen reich aus-
gestattete Buch enthält auf mehr als 250 Druckseiten nebst
20 Tafeln 100 Namen von Künstlern aller Art, die sich
theils direct mit der Herstellung von Waffen befassten
oder sich nebenher in den Dienst der Wäffenschmiedekunst
gestellt haben. Boeheim verspricht in der Einleitung einen
zweiten Band mit weiteren 100 Künstlern, doch welche
Fülle von grossen Meistern und grossen Namen enthält
schon dieses erste Hundert! Neben Plattnern, Guss-
meistern und Klingenschmieden finden wir viele der be-
rühmtesten Künstler ihrer Zeit in der Waffenschmiede-
kunst thätig, daneben aber so viele Meister in den feinen
Künsten des Treibens und Ciselirens, der Email- und
Tauschirarbeiten. Man gewinnt den Eindruck, als ob es
kaum einen Goldschmied oder Tausiator gegeben haben
könne, der nicht mit seinem besten Wirken bei Waffen-
arbeiten betheiligt gewesen ist. Das ist freilich nicht zu
verwundern, denn bis ins vorige Jahrhundert hinein war
eine gute Waffe das erste Erforderniss für den Mann und
sein Haus, der Luxus schöner und reicher Waffen aber
stand bei grossen und reichen Familien vor jedem anderen,
vor FYauenschmuck und Frauenkleidung, ja selbst, vor
Kirchen- und Schlossgeräth an erster Stelle. Von manchem
Kirchenfürsten existirt heute kein anderes Andenken mehr
als eine Anzahl reich verzierter Helmbarten oder Geschütz-
rohre; Boeheim aber erzählt uns, dass selbst Kaiser Karl V.
seinen Gästen die Schätze seiner Waffenkammer vorstellte.
Waffenschmiedekunst war die Kunst des Ritterthums.
Ersichtlich ist der Verfasser bestrebt gewesen, aus
allen Culturvölkern von Spanien bis Russland Meister des
Faches zu geben. Ueberall ist er zu Hause, und wer das
Buch in die Hand nimmt, wird in diesen oft so kurzen und
spärlichen Nachrichten ein reiches Material von grossem
kunstgeschichtlichen wie allgemein culturgeschichtlichem
Werthe finden. Erstaunlich zunächst, in wie hoher Werth-
schätzung und Ehre jene alten Waffenmeister nicht blos
bei ihren Mitbürgern, sondern auch bei den Mächtigen

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der Erde standen. Den Fürsten folgen sie ins Feld, den
Städten sind sie eine Zierde. Von Vater auf Sohn vererbt
sich der Beruf mit all den Werkstattsgeheimnissen, Tra-
ditionen und charakteristischen F'ormen, die auch ein
Grund sind, dass das geübte Auge des Autors selbst da
die Herkunft genau bestimmt, wo Marken oder sonstiger
Anhalt fehlen. Die Stückgiesserfamilie Hilliger blüht über
drei Jahrhunderte, von 1460 —1756, in Dresden und Freiberg;
in beiden Städten werden Familienmitglieder zu Bürger-
meistern bestellt; der Adel wird ihnen verliehen, und so
hoch steht ihre Kunst, dass sie keinen Geringeren als Lu-
cas Cranach den Aelteren zur Verzierung ihrer Arbeiten
berufen. Berühmter noch sind manche Plattnerfamilien,
wie die Colman’s von Augsburg, gleich geehrt in Spanien,
Italien und Deutschland; über sie berichten die fremden
Gesandten, und Kaiser und Könige, stehen ihretwegen in
Notenwechsel mit dem Rathe der Stadt. Lorenz Colrnan,
der Alte, war so angesehen und begütert, dass er seinem
kaiserlichen Herrn Maximilian mit Geldvorschüssen bei-
springen konnte; eines seiner Werke ist nach Boeheim’s
Annahme von dem älteren Burgkmair in jenem berühmten
Holzschnitte (Bartsch 12) abgebildet, der den Kaiser Ma-
ximilian in voller Rüstung mit gepanzertem Ross darstellt.
Eine ganze Anzahl solcher Waffenschmiede finden
sich in dem Buche Boeheim’s; andere werden in dem ver-
sprochenen zweiten Bande ihren Platz finden. Mancher
vergessene Name wird darunter sein, der heute vielleicht
nur dem ausgezeichneten Autor bekannt ist, über andere,
wie jenen a'ngezweifelten Meister Heinrich Knopf, dem
v. Ehrenthal den Dresdener Prurikharnisch Kurfürst Chri-
stian II. endgiltig zugetheilt hat und dem Boeheim selbst
kürzlich im zweiten Heft unserer «Zeitschrift für historische
Waffenkunde» den herrlichen Harnisch im Besitze des Gross-
herzogs von Sachsen-Weimar zugesprochen hat. Da der
Verfasser bei jedem Meister die Marken, sowie in wich-
tigen P'ällen auch typische Abbildungen giebt, so ist der
Werth seiner Arbeit auch für die Bestimmung der Waffen
aller öffentlichen und Privatsammlungen gar nicht hoch
genug anzuschlagen; nach dieser Richtung ergänzt das
neue Werk sein bereits erwähntes Handbuch der Waffen-
kunde.
Neben diesen Waffenschmieden selbst kommen nun
jene Künstler zur Betrachtung, die ihrem eigentlichen Be-
rufe nach Maler, Goldschmiede u. s. w. waren und nur
zum Entwerfen von Zeichnungen für Waffen und Har-
nische, beziehungsweise zur Ausführung der Verzierung
an solchen herangezogen wurden. Der hier zum ersten
Male gemachte Versuch, dieser Thätigkeit fremder Künst-
ler nachzugehen, ist um so verdienstlicher, als er hier
zum ersten Male zusammenfassend gemacht wird. Eine
Fülle von Anregungen für die kunsthistorische Forschung
ist dadurch geboten, und der innige Zusammenhang aller
Kunst, der heute noch vielfach von sogenannten Specia-
listen verkannt wird, ist dadurch erwiesen. Der grösste
Maler der nordischen Renaissance, Holbein, hat auf keinem
anderen Nebengebiet so erfolgreich und liebevoll ge-
zeichnet wie für Waffen. Er vertheidigt durch seine ge-
nialen Entwürfe die alte deutsche Schwertform gegen die
fremde Mode und gibt dem Dolche jene eigene, höchst
charakteristische Form des sogenannten deutschen Lands-
knechtdolches, dessen Vorbild von anderen Künstlern,
wie Aldegrever und den Hopfers, aufgenommen und von
den Waffenschmieden in so wundervollen Stücken aus-
geführt wurden. Noch bedeutender stellt sich die Wirk-
samkeit Dürer’s dar, wenn auch die dem Buche beigefügte
Zeichnung aus dem Berliner Kupferstichcabinet nur als die
 
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